Die Washington-Akte
von dem Mordanschlag auf Danny erfuhr, habe ich wieder daran gedacht. Ich habe ihn dafür gehasst, dass er mich aus dem Fenster geworfen hat. Und dafür, dass er so eigensinnig gewesen war. Ich habe ihn gehasst, weil er Mary nicht gerettet hat.« Sie fing sich wieder. »Aber ich liebe ihn auch.«
Cassiopeia saß schweigend da.
»Ich wette, Sie halten mich für durchgeknallt«, sagte die First Lady. »Aber als man mir mitteilte, dass jemand mich befragen würde, jemand von außerhalb des Weißen Hauses, wusste ich, dass ich ehrlich sein musste. Sie glauben mir doch, dass ich ehrlich bin?«
In diesem einen Punkt war Cassiopeia sich immerhin sicher.
»Wem haben Sie von dem Ausflug nach New York erzählt?«, versuchte sie, zum Thema zurückzukommen.
In Pauline Daniels’ Gesicht trat ein Ausdruck tiefer Zuneigung. In ihren blauen Augen schienen erste Tränen zu schwimmen, und Cassiopeia fragte sich, welche Gedanken dieser unglücklichen Frau wohl durch den Kopf gehen mochten. Nach allem, was sie wusste, war die First Lady eine ausgeglichene, sehr geachtete Dame, über die niemals ein böses Wort fiel. Sie verhielt sich zu allen Zeiten angemessen, aber offensichtlich fraß diese Frau ihre Gefühle in sich hinein. Nur hier, in der relativen Sicherheit dieser Wände, die in den vergangenen sieben Jahren ihr Zuhause gewesen waren, war sie bereit, sie auszusprechen.
»Einer Freundin von mir. Einer engen Freundin. Ihr habe ich davon erzählt.«
In ihren Augen stand noch mehr.
»Ich will nicht, dass mein Mann mit ihr spricht.«
29
Maryland
Wyatt sah, wie Cotton Malone die Angreifer abwehrte und auf den Wagen schoss, der fünfzig Meter entfernt gehalten hatte.
Carbonell hatte recht damit gehabt, dass die anderen ebenfalls kommen würden.
»Was ist da draußen los?«, fragte Voccio und trat zum Fenster.
Wyatt drehte sich um und sah ihn an. »Wir müssen hier verschwinden.«
Von unten hallten weitere Schüsse herauf. Ins Gesicht des anderen Mannes trat Besorgnis, seine Augen waren so verängstigt wie die eines in die Enge getriebenen Tiers.
»Wir müssen die Polizei rufen«, sagte Voccio.
»Haben Sie alle Daten?«
Der Mann nickte und brachte einen USB -Stick zum Vorschein. »Hier drauf.«
»Geben Sie ihn mir.«
Der Akademiker reichte ihm den Speicherstick. »Warum sind Sie überhaupt gekommen, um die Daten zu holen?«
Eine eigenartige Frage.
»Ich habe sie der NIA -Chefin vor mehreren Stunden per E-Mail geschickt.«
Tatsächlich? Diesen Punkt hatte Carbonell zu erwähnen vergessen. Aber er sollte nicht überrascht sein. »Haben Sie unten einen Wagen stehen?«
»Auf dem hinteren Parkplatz.«
Wyatt zeigte auf die Tür. »Nehmen Sie den Autoschlüssel, und dann nichts wie weg hier.«
Plötzlich war es im Zimmer dunkel.
Alle Lichter außer den drei Computerbildschirmen erloschen mit einem lauten Knall. Selbst das Rauschen der Lüftungsanlage verstummte. Wyatts Alarmstufe schaltete von Orange auf Rot.
Anscheinend galt dieser Angriff auch ihnen.
»Die Computer laufen mit Akku«, sagte der ins ungleichmäßige Licht der Bildschirme getauchte Voccio. »Was um Himmels willen ist hier los?«
Wyatt konnte nicht sagen, dass die Männer wahrscheinlich gekommen waren, um sie beide zu töten.
Daher drückte er es einfach aus und wiederholte: »Wir müssen von hier verschwinden.«
Malone zielte nicht, um jemanden zu treffen, sondern um den Fahrer dazu zu bewegen, mit dem Wagen die Flucht zu ergreifen. Kugeln, die dicht an ihm vorbeipfiffen, sollten diesen Zweck eigentlich erfüllen.
Und es funktionierte.
Der Motor heulte auf, die Räder drehten durch, und das Fahrzeug schoss davon.
Der Killer, der hinter dem Wagen gekauert hatte, merkte plötzlich, dass seine Deckung verschwunden war. Jetzt stand er mitten auf einem leeren Parkplatz, vom Licht der Lampen überströmt, und wusste nicht, wohin er sich wenden sollte. Daher gab er eine Salve aus seiner Schnellfeuerwaffe ab, und die Kugeln rissen die Karosserie von Malones Wagen auf und zerschmetterten die Scheiben.
Malone kauerte dicht hinter dem Wagen, lauschte auf die dumpfen Schläge, mit dem das Blei ins Blech einschlug, und wartete einen günstigen Moment ab. Als der Beschuss abbrach, stand er auf, zielte und schoss dem Killer in die Schulter. Der brach taumelnd zusammen.
Malone stürmte vor und schleuderte das Sturmgewehr mit einem Fußtritt zur Seite.
Der Mann wand sich vor Schmerz auf dem nassen Pflaster. Blut strömte aus seiner Wunde.
Das Unwetter
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