Die Washington-Akte
Nacht mit Mary zusammen gestorben. Ein Teil, der sich nicht wiederbeleben lässt, und sie hat Jahre gebraucht, um diesen Verlust zu verstehen.«
»Waren Sie ein Faktor bei diesem Verständnis?«
Er schien die Andeutung von Kritik in ihren Worten zu spüren.
»Ich habe mich sehr bemüht, das nicht zu sein. Aber als ich zum Stabschef befördert wurde, haben wir mehr Zeit miteinander verbracht. Unsere Gespräche wurden immer tiefschürfender. Sie vertraute mir.« Er zögerte. »Ich bin ein guter Zuhörer.«
»Aber Sie haben mehr getan, als nur zuzuhören«, sagte Cassiopeia. »Sie haben sich in sie eingefühlt. Eine Beziehung zu ihr aufgebaut. Etwas ebenso Wohltuendes für Sie selbst aus der Verbindung gezogen.«
Er nickte. »Unsere Gespräche waren keine Einbahnstraße. Und das war ihr bewusst.«
Auch Cassiopeia hatte schon mit diesen Emotionen gekämpft. Sich einem anderen zu öffnen war eine schwierige Sache.
»Pauline ist ein Jahr älter als ich«, erzählte er, als ob das irgendeine Rolle spielte. »Sie witzelt darüber, dass ich der Jüngere bin. Ich muss gestehen, dass mir das gefällt.«
»Hat Daniels irgendeine Ahnung?«
»Um Himmels willen, nein. Aber wie schon gesagt, es ist absolut nichts Ungebührliches vorgefallen.«
»Nur dass Sie beide sich ineinander verliebt haben.«
In sein Gesicht trat ein Ausdruck der Resignation. »Ich denke, Sie haben recht. Pauline und der Präsident verkehren schon lange nicht mehr als Mann und Frau miteinander, und sie scheinen es beide akzeptiert zu haben. In ihrer Beziehung fehlt jegliche Intimität. Und das meine ich nicht im körperlichen Sinn. Sie teilen sich einander nicht mit. Es ist, als wären sie Zimmergenossen. Kollegen. Als wäre eine Wand zwischen ihnen. Das übersteht keine Ehe.«
Sie wusste, was er meinte. Noch nie zuvor hatte sie sich jemandem so sehr anvertraut wie Cotton. Es hatte Männer gegeben, und sie hatte sich ihnen teilweise geöffnet, aber niemals ganz. Seine Hoffnungen und Ängste preiszugeben und darauf zu vertrauen, dass das Gegenüber dieses Wissen nicht missbrauchte, erforderte einen riesigen Vertrauensvorschuss.
Und nicht nur bei ihr, sondern auch bei Cotton.
Doch Davis hatte recht.
Intimität war der Mörtel, der eine Beziehung zusammenhielt.
»Wussten Sie über Quentin Hales Verbindung mit Shirley Kaiser Bescheid?«, fragte sie.
»Nicht im Geringsten. Ich habe Shirley nur einmal getroffen, als sie zu Besuch im Weißen Haus war. Aber ich weiß, dass Pauline sich jeden Tag mit ihr austauscht. Ohne Shirley wäre sie schon längst zusammengebrochen. Falls Pauline irgendjemandem von dem Ausflug nach New York erzählt hat, dann Shirley. Ich weiß auch, dass Shirley über mich informiert ist. Deswegen musste ich ja Sie mit dieser Sache betrauen. Ich sagte mir, dass die Dinge rasch außer Kontrolle geraten konnten.«
Und genau das war ja geschehen.
»Inzwischen weiß Quentin Hale Bescheid«, sagte Cassiopeia. »Aber interessanterweise hat er nichts mit dieser Information angefangen.«
»Als er mich neulich im Weißen Haus aufgesucht hat, war er mit Sicherheit schon auf dem Laufenden. Dieses Treffen war für ihn wahrscheinlich eine Möglichkeit festzustellen, ob er seinen Trumpf ausspielen musste.«
Sie stimmte ihm zu. Das ergab einen Sinn. Genau wie etwas anderes. »Ich bin überzeugt, dass Hale Stephanie in seiner Gewalt hat. Sie hat zwar Carbonells Rolle untersucht, aber das Commonwealth war ebenfalls involviert. Daran besteht inzwischen kein Zweifel mehr.«
»Aber wenn wir unklug handeln, riskieren wir nicht nur eine für alle Beteiligten peinliche Bloßstellung, sondern auch Stephanies Leben.«
»Das stimmt, aber …«
Im Besucherzentrum ging eine Alarmanlage los.
»Was ist denn jetzt los?«, fragte Cassiopeia.
Sie rannten zu dem Gebäudekomplex zurück und ins Büro des Museumsdirektors.
Die Miene der Assistentin des Direktors war sehr besorgt. »Im Haupthaus ist eine Bombe hochgegangen.«
46
Wyatts Spielzeug hatte seinen Zweck erfüllt. Im Herrenhaus herrschte jetzt Panik. Schreiende Menschen drängten sich auf der Flucht. Er hatte eine abgewandelte Mischung verwendet, bei der Rauch hinzukam, und das hatte die Wirkung noch verstärkt. Zum Glück hatte er einen Vorrat mit nach New York gebracht, da er sich nicht sicher gewesen war, was geschehen würde, wenn Cotton Malone erst einmal mitmischte.
Er hatte sich in Jeffersons Schlafzimmer zurückgezogen und einen Stuhl unter den Türgriff geschoben, da es offensichtlich
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