Die Wasser des Mars
sie können ihre äußere Form absichtlich und gesteuert verändern?«
»So ungefähr, Herb. Ich gehe sogar noch ein Stück weiter. Ich glaube, daß es sich um Wesen handelt, die sich außerdem zu einem größeren Wesen zusammenschließen können, je nachdem, ob es ihnen notwendig erscheint oder nicht.«
»Das ist erstaunlich, aber bei intelligenten Lebewesen, die aus Gas bestehen, bietet sich etwas Ähnliches geradezu an.« Plötzlich erscheinen Herb die fremden Wesen gar nicht mehr so fremd wie noch vor wenigen Stunden.
Ruuth blickt hinüber zu Matoul, und Herb glaubt zu sehen, wie der Mathematiker bestätigend die Lider senkt. Sie nimmt den Passivhelm auf, aber Herb streckt schon die Hand danach aus. Auch er hat Matouls Geste verstanden. Tatsächlich hat sich sein Befinden in den letzten Minuten erheblich gebessert. Das Brummen im Schädel ist fast abgeklungen, und die Schweißausbrüche haben aufgehört.
Vorsichtig setzt er den Helm auf. Wie immer bemüht er sich um Gemessenheit, aber diesmal kann es ihm nicht schnell genug gehen. Als er sich zuschaltet, verspürt er einen Augenblick lang ein Ziehen unter der Schädeldecke, ein Zeichen, daß er sich noch nicht genügend eingestimmt hat, aber dann ist er plötzlich auf dem Unheimlichen. Erstaunt stellt er fest, daß die fremde Landschaft nichts Drohendes mehr für ihn hat. Er ist bereits so an die unirdische Umgebung gewöhnt, daß sie ihm völlig normal erscheint.
Im Sichtkegel der Optik liegt die weite Ebene, am Horizont begrenzt durch die sanft ansteigenden Hänge, die fast schon etwas Heimisches an sich haben. Dort drüben stand gestern noch der Titan, heute ragen seine völlig deformierten Laufbänder teilweise in den Sichtbereich des Flohes. Die Fremden müssen das tonnenschwere Fahrzeug über mehrere Kilometer transportiert haben. Schade, daß sich auch die Optikanlage des Flohes nicht mehr bewegen läßt.
So ist Herb auf die Baronik angewiesen, die ganz anders als das optische System reagiert. Sie hat ihre Fähigkeit, sich rundum zu orientieren, nicht eingebüßt und übermittelt seit Stunden den Eindruck fließend schwankender Drücke in unmittelbarer Nähe der kleinen Landefähre. Aber auch die mächtigen Wirbel, die in großer Höhe die Atmosphäre aufwühlen, macht sie sichtbar. »Achtung!« Herb zuckt zusammen bei Luisas hellem Ruf, aber dann spürt auch er es. Außerhalb des Sichtbereiches nähern sich pulsierende Druckfelder.
Sie mühen sich mindestens eine halbe Stunde lang, die wechselnden Felder zu interpretieren, dann löst sich das Rätsel von selbst. Der Titan bewegt sich. Auf einer Scheibe von etwa zwanzig Meter Durchmesser und höchstens einem halben Meter Dicke schwebt er in den Sichtbereich. Zweifellos besteht die Scheibe aus demselben Gas wie die Spindeln. Auch die schnelle Rotation ist jetzt klar auszumachen. Es gibt keinen Zweifel mehr. Lebendes Gas, das seine Form willkürlich verändern, sich zu einem Wesen zusammenschließen kann, transportiert ein tonnenschweres Fahrzeug. Es fällt Herb auf, daß die Scheibe von einer Anzahl Spindeln eskortiert wird, als hielten sie sich bereit, um jederzeit eingreifen und die Scheibe unterstützen zu können. Erst Minuten später spürt er, daß die wechselnden Druckfelder auf der Außenhaut des Flohes nicht mehr nachzuweisen sind.
Aber noch am selben Tag leben die Felder erneut auf. Die Optik fängt einzelne Spindeln im Bild ein, die das Landefahrzeug umkreisen und dabei näher und näher kommen. Und dann beginnen die Registriergeräte des Berührungsnetzes zu arbeiten, zeichnen geheimnisvolle Linien auf Folieblätter und prägen magnetische Schwingungen auf Tondrähte.
»Endlich!« flüstert Herb, und er stellt fest, daß in Matouls Augen plötzlich ein Leuchten ist. Er sieht aber auch, daß Luisa jetzt, da die Funktion der von ihr vorgeschlagenen Anlage nachgewiesen ist, blaß und abgespannt aussieht von den Anstrengungen des Tages.
Die ganze Nacht über bleibt Herb an den Geräten und überwacht die Registrieranlage. Neben ihm sitzt Ruuth und landet die letzte Fähre, die sie entbehren können mit der nun schon gewohnten Sicherheit. Jetzt bleibt ihnen nur noch der Titan zwei als letztes und unentbehrliches Mittel zu ihrer Rückkehr ins heimatliche Sonnensystem.
Als Matoul und Luisa am anderen Morgen zurück in die Zentrale kommen, ist Ruuth im Sessel eingeschlafen. Der Sensorhelm verbirgt ihre geschlossenen Augen.
Auch Herb hält sich nur noch mit Mühe wach. »Wir haben alles
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