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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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der Wellen niedergehen. Der prismatische Block reflektiert sekundenlang das flackernde Licht der Bremstriebwerke und taucht seine Umgebung in waberndes rotes Gleißen, dann verschwindet er fast neben der gewaltigen Raumkugel. Einen Moment lang scheint es, als würden die turmhohen Landestützen der Gravitation des Dunkelsterns trotzen, doch schon neigt sich die Masse aus Metall und Plast und begräbt den Block unter. sich.
     
    Minuten später zündet Herb die Triebwerke des zweiten Titanen. Über dem Steuerpult schwebt ein Strauß dunkler Rosen, sorgfältig in durchsichtige Folie gehüllt. Es ist, als bewege er sich im Takt der weichen Töne, die die Kassette auf die Tonträger überspielt. Vor den Bullaugen verwischen sich Raum und Zeit zur ersten Transition.
     
     

Die weite Reise
     
    Ich glaube, daß es richtig ist, wenn ich am Beginn meiner Ausführungen etwas über die Gründe sage, die mich veranlassen, meine Gedanken in dieser Form niederzulegen.
    Aber bereits bei diesen ersten Worten kommen mir Zweifel, ob ich überhaupt akzeptable Gründe habe. Viel einfacher wäre es, zu erläutern, daß dieses oder jenes nicht der Anlaß für meine Worte ist. Ich spreche nicht zu Ihnen, weil mich irgendein, vielleicht unbewußtes, Mitteilungsbedürfnis übermannt hat, weil ich mir, wie man früher zu sagen pflegte, etwas von der Seele reden will oder weil ich möchte, daß meine Gedanken und Worte der Nachwelt erhalten bleiben.
    Nein, das ist es nicht. Es gibt tausend andere Gründe dafür, tausend Gründe, von denen ich nicht einen hinreichend genau definieren kann, um ihn genügend überzeugend wirken zu lassen.
    Vielleicht möchte ich unserem Bordbuch ein Gegengewicht geben, das persönlicherer Natur ist, als es Bordbücher im allgemeinen sind, vielleicht aber ist es auch der Anblick der kleinen gelben Sonne backbord voraus, des Sternes, der unsere Heimat sein soll und der unser Ziel und unser Tod sein wird. Vielleicht ist es auch die Tatsache unseres unvermeidlichen Endes, die mich zwingt, diese Worte auf Speicher zu sprechen.
    Vielleicht, vielleicht… Wie gesagt, es gibt tausend Gründe. Ob die genannten jedoch überzeugend zu wirken vermögen, kann ich nicht sagen, und ich werde es auch nie erfahren.
    In den letzten Monaten und Wochen fiel mir auf, daß vor allem die Jüngsten unserer Mannschaft den langsam heranwachsenden Stern, unsere heimatliche Sonne, mit anderen Augen betrachten, als man es von Heimkehrenden beim Anblick der Geburtsstätte ihrer Väter gemeinhin erwartet.
    Zwar starren sie auf die Sonne mit brennenden Augen, o ja, aus ihren Gesichtern ist zu lesen, daß sie sie herbeisehnen, daß sie das vor uns liegende Sonnensystem als ihre ureigene Heimat betrachten, aber ich kann auch Angst aus ihren Mienen erkennen, die Angst vor dem unvermeidlichen Ende, das uns die Sonne bringen wird.
    Ich glaube nicht, daß Sie, die Sie diese jungen Männer und Frauen nicht kennen und auch nie kennenlernen werden, diese Spuren von Angst sehen könnten, aber ich sehe sie, und ich sehe sie, weil auch ich sie fühle.
    Vielleicht liegt hierin der Hauptgrund für meine Worte an Sie, denn ich bin der letzte, der dieses Gefühl zeigen darf, und was ist geeigneter, es zu überwinden, als darüber zu sprechen, es zu analysieren, die Angst mit eigenen Worten und Gedanken ihrer Mystik zu entkleiden?
    Ich bin nicht sicher, ob die heute auf der Erde Lebenden überhaupt noch wissen, was es bedeutet, Angst zu haben. Vielleicht ist dieses Urgefühl längst Vergangenheit, und Sie zucken nur bedauernd und verständnislos die Schultern, wenn Sie mich davon sprechen hören. Dann allerdings wäre es besser, es hätte diese Aufzeichnung nie gegeben, dann wäre es vernünftiger, wenn sich die Menschheit auf die sachlichen Ergebnisse unserer Expedition beschränkt, wie sie in unserer Bordchronik aufgezeichnet sind.
    Sie liegt vor mir, diese Chronik. Ein großes, in alter Manier in grauen Plast gebundenes Buch mit vielen weißen Seiten, die mit den verschiedensten Schriften bedeckt sind. Das Buch ist ein Zugeständnis an menschliche Vergangenheit, entstanden zu einer Zeit, da man die Vorteile der Speicheraufzeichnung bereits jahrzehntelang kannte und doch nicht in der Lage war, sich konsequent vom Schriftlichen zu lösen. Die Chronik wäre sinnlos, wenn es sie nicht zusätzlich in holografischer Form gäbe, denn das Buch wird mit uns untergehen.
    Es ist aufgeschlagen. Durch eingebaute Magnete wird der Umschlag an die Pultplatte geheftet.

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