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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Die letzten Sätze sind in Lasers runder Handschrift geschrieben. Ob wohl auch der große alte Mann Angst vor dem Morgen hatte?
    Lasers letzte Worte sind eindringlich, aber lange nicht so nachdrücklich wie die Worte, die unsere Großväter geschrieben haben, als sie der Chronik die entscheidende Wandlung gaben, als klar wurde, daß unsere Expedition zugrunde gehen würde und daß sie trotzdem die Aufgabe haben würde, Ergebnisse zu bewahren und zu überbringen. Ergebnisse einer Arbeit, die aus einem Zufall resultierte, wie er vielleicht nur einmal in tausend Jahren menschlicher Evolution auftritt.
    Lasers Worte klingen lehrhaft. Sie übernehmen Gedanken, die von anderen vor mehr als zweihundert Jahren gedacht worden sind, und erheben sie zu unangreifbaren Wahrheiten, zu Gesetzen, unseren Gesetzen.
    Ein Teil der Worte ist gesperrt geschrieben, ich kann sie auswendig, habe sie hundertmal gelesen, mich berauscht an ihrem heroischen Inhalt, und doch füllen sie mich nicht ganz aus: »Am 16. Oktober dieses Jahres wird unser Raumschiff gegen 12 Uhr INZ (Irdischer Normalzeit) die Jupiterbahn kreuzen. Etwa zum gleichen Zeitpunkt ist mit dem Anruf der äußersten Erdaußenstation, die auf dem Wege der Expedition liegt, zu rechnen. Die Wellenlänge, auf der der Anruf erfolgt, ist festzustellen und auf den Bordsender zu übertragen.
    Die Geschwindigkeit unseres Raumschiffes wird zu dieser Zeit bereits so hoch sein, daß auch die irdischen Beobachter die kurz bevorstehende Vernichtung der Expedition als gegeben hinnehmen werden. Zweifellos werden sie jedoch auf die hyperbolische Geschwindigkeit der sich nähernden Rakete eindringlich hinweisen. Dieser Anruf ist mit der folgenden Formel zu beantworten:
    ›Hier Kommandant der Expedition Korona 1. Befinden uns auf Kollisionskurs zur Sonne. Bremsmanöver unmöglich. Geschwindigkeit hyperbolisch mit steigender Tendenz. Wir grüßen die Erde, die Heimat unserer Vorfahren!
    Nach Absetzen dieser Botschaft erfolgt Abstrahlung wichtiger Forschungsergebnisse und der Chronik der Expedition im Algorithmus 7 Strich 4 auf gleicher Wellenlänge, in ständiger Wiederholung bis zur Vernichtung des Raumschiffes.
    Bewahrt uns ein ehrendes Andenken! Wir sterben für die Menschheit!‹«
    Darunter steht in winzigen Buchstaben der Hinweis, daß danach ständig beide Speicher abzuspielen seien, sowohl der mit den Forschungsergebnissen wie auch der mit der Kopie der Bordchronik, bis die Expedition nach letzten Berechnungen am 27. Oktober morgens gegen zwei Uhr in die äußeren Gasschleier der Sonne eintauchen und verglühen werde.
    Unabwendbares liegt in diesen Worten, vielleicht sogar etwas von Fatalismus.
    Wir sind zwölf Menschen an Bord, einzig und allein zu dem Zweck gezeugt, die Forschungsergebnisse der Arbeiten unserer Eltern zu bewahren und abzuschließen und dann zurück zur Erde zu bringen. Jeder andere Beweggrund für unsere Zeugung wäre angesichts unseres Lebens in dauernder, absoluter Isolation und des unvermeidlichen, vorzeitigen Endes unserer Expedition in der heimatlichen Sonne zutiefst unmoralisch, ja verbrecherisch gewesen. Keiner von uns traut unseren Vorfahren andere Gründe zu als die genannten.
    Niemand von uns kennt die Erde, und niemand wird sie je anders als aus der Entfernung kennenlernen. Wir werden unsere Pflicht erfüllen und sterben, wie es das vor mir liegende Buch voraussagt, und nichts wird unser vorgezeichnetes Schicksal ändern können.
    Wie oft habe ich, der jetzige und zugleich letzte Kommandant des Raumschiffs Korona 1, dieses Buch gelesen? Zehnmal? Zwanzigmal? Ich weiß es nicht.
    Aber ich weiß, daß ich wieder und wieder versucht habe, im Geiste dieser Chronik zu leben oder doch wenigstens zu denken und die Menschen, die sie schufen, zu begreifen, um einer der Ihren zu werden. Manchmal, nein, oft habe ich geglaubt, daß es mir endlich gelungen sei, meine Gedanken in Einklang mit den ihren zu bringen, aber wenig später begann ich doch wieder zu zweifeln. Und jetzt, angesichts der kleinen, aber doch schnell wachsenden Sonne, sind meine Zweifel lauter denn je.
    Ist es ungerecht denen gegenüber, die dieses Buch schrieben, wenn ich glaube, daß sie es leichter hatten als wir? War es nicht einfacher für sie, heroische Worte zu finden, da sie hoffen durften, eines natürlichen Todes zu sterben?
    Ich werde zur Stunde meines Todes einunddreißig Jahre, vierundvierzig Tage und vielleicht einige Stunden alt sein. Ich habe eben errechnet, daß ich noch sechzehn Tage

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