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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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hatte, jedenfalls sah ich plötzlich Angst in seinen Augen. Es war sicherlich keine Angst um sein eigenes Leben, damit hatte er wohl bereits abgeschlossen, nein, er machte sich offensichtlich Sorgen um uns, um die Jüngeren. Er befürchtete, daß wir unserer Aufgabe nicht gewachsen seien.
    Ich versuchte ihm zuzulächeln. »Wir werden es schaffen, Fred«, versprach ich. »Wir werden in die Nähe der Erde gelangen, werden ihnen unsere Forschungsergebnisse überspielen, und wir werden ohne Klage zu sterben wissen. – Ohne Klage und ohne den Glauben, daß es eine einmalige Ehre sei«, fügte ich hinzu.
    Der Alte hinter den Netzmaschen verfiel zusehends, aber sollte ich ihn in seiner letzten Stunde belügen? Reichte es nicht aus, wenn ich ihn davon überzeugte, daß wir das Vermächtnis der Alten erfüllen würden? Seine blassen Lippen bewegten sich. Ich las die Worte mehr ab, als daß ich sie hörte.
    »Stasch, behalte deine Zweifel für dich… Die Menschen müssen etwas haben, an das sie glauben, an dem sie sich festhalten können… Hätten wir alle diesen Glauben nicht gehabt, ein Wrack ohne Besatzung würde sich jetzt der Erde nähern. Nie hätten wir gewagt, Kinder zu zeugen, ohne das Wissen um das Große, das wir zu vollbringen haben.«
    Ich hätte ihm sagen können, daß ich diesen Glauben, den er für unsere Existenz verantwortlich machte, verfluche, daß ich es für unmoralisch halte, Leben zu zeugen angesichts des unvermeidlichen Todes, ich sagte es ihm nicht. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter und sah zu, wie er starb, nachdem ich bestätigend genickt hatte.
    Er dämmerte scheinbar leicht und mühelos hinüber; äußerlich, wie es in seinem Inneren aussah, ob er mir glaubte, werde ich nie erfahren. Und doch zeigten mir seine letzten Worte, daß auch er nicht frei von Zweifeln war. Ich aber habe mein Versprechen gehalten, habe die gleichen großen Worte gebraucht wie meine Vorfahren. Und vielleicht ist es mir gelungen, meine Zweifel zu verbergen. Viel, nein, alles kann davon abhängen.
     
    Seite für Seite schlage ich zurück in der Chronik, bis fast an den Anfang, bis zu der Stelle, an der die kurzen und unpersönlichen Eintragungen, die nichts anderes sind als Standortangaben, Kursparameter oder Hinweise auf den Gesundheitszustand einiger Besatzungsmitglieder, plötzlich auseinanderzufließen beginnen zu einer Hymne auf Heldentum und menschliche Größe.
    Ich kenne den Grund nicht, der mich treibt, wieder und wieder diese Worte zu lesen, die erstaunliche Wandlung nicht nur des Stiles, in dem die Eintragungen abgefaßt sind, sondern selbst des Schriftbildes in mich aufzunehmen. Vielleicht ist auch das nur ein Ausdruck meiner geheimen Zweifel. Doch Zweifel woran? Zweifel an der Tatsache, daß unser Untergang unabdingbar ist? Oder Zweifel an denen, die weiterarbeiteten, weil es ihnen gelang, den Untergang zu verklären?
    Zuerst sind die Blätter noch bedeckt mit prägnanten Angaben in der kleinen, runden Handschrift des ersten Astrogators Bernhard Stasch. Ich müßte nachrechnen, wollte ich ermitteln, wieviel »Ur« ich vor das Wort »Großvater« setzen müßte, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, aber wem würde das nützen?
    Es beunruhigt mich, daß dieser Stasch von einem Tag auf den anderen ein fremder Mensch geworden zu sein scheint. Schlagartig ändern sich Schreibstil und Schriftbild. Plötzlich sehe ich lange Tiraden in flüchtigen Zeilen, und stets, wenn ich sie lese, spüre ich einen faden Geschmack im Mund.
    Deutet nicht diese Veränderung darauf hin, daß sie nicht anders waren, als wir es sind, daß auch sie nur Gefangene waren und keine Helden?
    Sie waren gestartet, um das Phänomen des Uranushalo zu untersuchen, eine eigenartige Leuchterscheinung am Umfang dieses Planeten, die sich von Jahr zu Jahr verstärkte und allen Naturgesetzen zu widersprechen schien.
    Keine der vielen Theorien schien haltbar, und so entschloß sich die Raumbehörde, eine Expedition auszurüsten, die den bezeichnenden Namen »Korona 1« erhielt.
    Zur Besatzung gehörten acht Männer und vier Frauen. Die Bahnkurve sollte eine langgestreckte Halbellipse sein, in deren Brennpunkt die Sonne stehen würde. Es handelte sich also um den Teil einer Planetoidenbahn. Nach einem halben Jahr sollte die Korona auf der der Sonne gegenüberliegenden Seite die Erdbahn erneut kreuzen und damit in Landeposition kommen. Das jedoch geschah nie.
    Nach fast einem Vierteljahr war die Geschwindigkeit durch die ständig steigende

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