Die Wasser des Mars
versinken. Er hielt die Augen geschlossen und erweckte den Eindruck, als beschäftige er sich mit Gedanken, die mit ihrer zukünftigen Aufgabe nicht das geringste zu tun hatten.
In der Zwischenzeit allerdings weiß Herb, daß dieses Versinken Matouls Art ist, sich zu konzentrieren.
Endlich öffnete Matoul die Augen. Sein Blick ruhte groß und forschend auf Bosciks Gesicht. »Die Wissenschaftler haben also keine Ahnung, um was es sich bei dem Phänomen Black Light handelt.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
Boscik nickte. »Aber Sie haben doch mit Sicherheit eine Theorie?«
Wieder stimmte ihr Gegenüber zu. »Nicht nur eine. Wir haben eine ganze Menge Theorien. Aber nur zwei sind wirklich ernst zu nehmen.« Boscik beugte sich vor und legte die Arme auf den Tisch. Man sah ihm an, daß auch er sich um Konzentration bemühte. »Die eine hält den Fleck für einen Dunkelnebel, der das Licht der dahinterliegenden Sterne abschirmt, und die andere…«
»Welche Form hat der Fleck, sagten Sie?«
Boscik winkte ab. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er leicht gereizt. »Aus der großen Entfernung zur Erde sieht er kreisrund aus. Aber Sie brauchen mir nicht zu erklären, daß das bei Dunkelnebeln nahezu ausgeschlossen ist. Auch ich kenne mich einigermaßen in der Kosmologie aus.«
Matoul schüttelte den Kopf. »Ein Dunkelnebel von dieser Form wäre tatsächlich ungewöhnlich. Es sei denn…« Wieder brach er ab und sinnierte. »Es sei denn, er würde sehr schnell rotieren, aber das scheint mir als Grundlage für eine Theorie doch zu gewagt. Was sagt die zweite Theorie?«
»Sie behauptet, daß die dortige Sphäre von innen heraus annihiliert wird. Allerdings gibt es keinerlei Anzeichen von Energiezuwachs in diesem Radianten. Und das macht die Überlegung spekulativ.«
Matoul hob die Schultern. »Also wirklich keinerlei Anhaltspunkte.«
»Unsere Informationen sind mangelhaft«, erwiderte Boscik, »und die Entfernung bis zu dem Phänomen ist gewaltig. Es kann keine Rückfrage zur Erde und keinen Hinweis von hier geben. Sie werden allein auf sich und Ihr Wissen angewiesen sein. Sie selbst müssen versuchen, den besten Weg zum Ziel zu finden. Und ich hoffe, daß es Ihnen gelingen wird.«
Ein halbes Jahr später starteten sie. Die Zwischenzeit war ausgefüllt mit intensivem Studium, hartem Training, Probearbeiten unter Raumbedingungen und eingehenden ärztlichen Untersuchungen. In dieser Zeit verließ Herb zum erstenmal die Erde, sah den Mond aus unmittelbarer Nähe und lernte, sich frei im kosmischen Raum bewegen. Und er lernte Matoul und Luisa näher kennen.
Matoul ist Mathematiker, und zwar mit einer an Besessenheit grenzenden Leidenschaft. Für ihn sind die Natur, die Welt und alles Geschehen auf mathematischem Wege erklärbar, sie sind nur eine Anhäufung mathematischer Zusammenhänge. Für alle Erscheinungen hat er ein Modell parat, anhand dessen er sie zergliedert und für sich selbst durchschaubar macht. Vielleicht versteht er die Dinge nur, wenn er sie sich über mathematische Modelle zu eigen gemacht hat. Nie, selbst in den Zentrifugen und Beschleunigungssimulatoren, hat Herb ihn ohne seinen kleinen Hybridrechner gesehen, auf dessen winzigem Bildschirm ständig irgendwelche Kurven und Linien flimmerten.
Und Luisa? Was hat Luisa mit ihm gemeinsam? Was bindet sie an ihn? Was ist es, das sie ihn fast ohne ein Wort verstehen läßt? Was bewirkt, daß sie sich nur mit einer einzigen Kopfbewegung, einer Geste verständigen können? Ist es das, was man mit Liebe bezeichnet? Manchmal scheint es, als beobachte sie Matoul unablässig, liege ständig auf dem Sprung, um keine seiner sparsamen Bewegungen zu übersehen.
Sie ist Physikerin, und vielleicht ist sie es, die seine mathematischen Erkenntnisse in faßbare physikalische Dimensionen umsetzt. Vermutlich passen sie einfach zusammen, weil er die Theorien schafft, die sie mit praktischem Leben und verwertbaren Fakten ausfüllt.
Herb hat nie zwei Menschen kennengelernt, die sich besser ergänzen, vollkommener aufeinander eingestimmt sind als Luisa und Matoul. Und dazu gehört wohl auch ihre äußere Ähnlichkeit. Matoul ist asketisch dürr, das dunkle Haar länger als üblich. Möglicherweise würde das um eine Nuance zu nachlässig wirken, wenn die braunen Augen, die mehr nach innen als nach außen blicken, diesen Eindruck nicht verwischen würden. All das ist an Luisa weiblich gemildert. Sie ist schlank, ihr Haar ebenfalls dunkel und lang, aber es fließt in
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