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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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wenigen darauf bezüglichen Worte, die gewechselt wurden, dachte Donald an die violette Seidentapete in einem der Harbach’schen Salons; und hinter dieser Tapete, nicht vor ihr, stand Hilda: also hinter der Wand, die aber durchsichtig war wie Wasser. Einen Augenblick lang suchte er sich gleichsam zu stützen auf das große blonde Mädchen, das ihn englisch anredete. Doch kam hier Gollwitzer dazwischen. Sodann stieg Donald mit Broubek die Treppe zur Zentralheizung hinab. Im vorderen Raum, auf dem Tische unterm Fenster, lagen die Brillen des Hausmeisters auf der Zeitung.
    In solcher Weise war Donald durch Augenblicke oft ganz abwesend, und man sah es ihm an.
    So auch die Frau Änn Hildegard Kruhlow, geborene Wusterstiebel, eine umfängliche und gutmütige alte Dame, deren mütterliche Besorgnis durch Donald entschieden in Bewegung gebracht wurde. Sie reiste mit ihrem Gatten, einem lutherischen Pastor, dem man daheim den Spitznamen eines ,Posaunengenerals‘ angehängt hatte, denn Pastor (oder wie man in seiner Heimat sagte ,Paster‘) Kruhlow war das Haupt einer über ganz Deutschland verzweigten Vereinigung der Posaunenbläser. Deren ein sehr kleiner Teil bildete hier eine Vergnügungs-Reisegesellschaft von neun aktiven Posaunen, also neun Herren, zum Teil mit ihren Damen, aber diese bliesen nicht. Instrumente wurden mitgeführt. Erstmals bliesen sie, zum allgemeinen größten Genusse, muß man sagen, auf dem Vordersteven des Schiffes ein für neun Posaunen ad hoc umgesetztes Divertimento von Mozart. Sie bliesen vorzüglich, ja, mehr als das: sie waren alle Virtuosen auf ihrem Instrumente, das sie ja rein zum Vergnügen spielten, ansonst in ganz anderen Berufen stehend. So etwa befanden sich in dieser seltsamen Gruppe zwei Berliner Rechtsanwälte und ein Großindustrieller aus Göppingen in Württemberg.
    Es muteten diese harmlosen und biederen Deutschen mit ihrem gemütvollen Posaunen-Ulk fast amerikanisch an. Und es war immerhin bemerkenswert zu sehen, daß auch aus einer geringen Zahl von versammelten Menschen – gar viele Passagiere hatte ja dies kleine Schiff nicht – oft schon ein ganz beträchtlicher Zacken von Narrentum herausragt. Dem Kapitän der ,Cobra‘ waren solche Unterhaltlichkeiten, die seinen Fahrgästen hier gratis geboten wurden, recht willkommen. Er veranlaßte deshalb das tüchtige Nonett einmal, zusammen mit der Schiffskapelle, die stets während des Dinners zu spielen pflegte, abends ein Konzert auf dem Promenadedeck zu geben, wobei unter anderem ein großes Potpourri aus ,Aida‘ zu hören war, samt Triumph marsch.
    Diese Sache zeigte doch auch eine andere, nicht eben geringe Seite. Die Wiener Musiker der Schiffskapelle hatten sich mit den trefflichen Deutschen vorher gut verständigt und zusammengeprobt. So gab’s denn eine blanke Leistung. Sie spielten noch bei Tageslicht, wohl weil es schwierig gewesen wäre, auf dem Deck alle Notenpulte gehörig zu beleuchten. Aber während der letzten Nummer verfärbte sich schon stark das Meer, und die tragenden Töne der Bläser hallten über eine Wasserfläche, die aus dem Glanz und Blau des Tages ergrauend wie zu ihrer eigenen Tiefe zurück kehren wollte, während noch die sinkende Sonne im vollen Abendbrande sichtbar blieb.
    Niemand entzog sich so ganz diesen Eindrücken und am allerwenigsten Donald, der vermeinte, zum ersten Mal in seinem Leben Musik zu hören. Und so verhielt es sich ja wohl auch. Seine Besuche der Hofoper in Wien waren nie was anderes gewesen als ein obligatorisches Funktionieren im Abendanzug.
    Nun hier, während er an der Reeling stand und auf das allmählich ergrauende Meer hinaus sah, begann die Frau Pastor Kruhlow, welche neben ihm das gleiche tat, aber unterbrochen durch einen kleinen Seitenblick auf Donald, erstmals besorgt zu werden. Ihr war durch Augenblicke, als sähe sie in eine furchtbare Eingesperrtheit, in ein buchstäbliches Lebendig-Begrabensein.
    N och dauerte ja das Schuljahr an und bis zu seinem Ende erstreckte sich fast ein und ein halber Monat, wenn auch der M.C. mit seinen praeparativen Anstalten vieles vorweg genommen hatte. Für Zdenko aber war dieser Teil der Oberstufe schon überschritten worden, und zwar in zwei Schüben, könnte man sagen: der erste war sein Zusammenstoß (nur dies Wort trifft die Sache!) mit Frau Henriette Frehlinger gewesen, der zweite Donald Clayton’s fahle Verfinsterung auf der Straße.
    Nach beidem blieb Trauer. Wenn er jetzt in der schon heißeren Sonne ging, erdunkelte ihm

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