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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Eislaufplatzes ein versperrbares Kästchen gehabt, und dort seine Schlittschuhe unter Verschluß. Vielleicht war etwas daran zu reparieren gewesen. Hier blieb ein Loch. Im Vorzimmer stand jene Tür weit offen, hinter welcher der Raum der größeren Mädeln war. Hier durfte Paul nie eintreten. Sie drängten und boxten ihn immer gleich hinaus, wenn es sich fügte und er irgendeines dieser Geschöpfe suchte und in ihr Zimmer kam. Die Tür stand offen. Paul trug die Schlittschuhe unterm Arm. Um diese Zeit hatte er Emilia Ergoletti schon gekannt, ja, es war alles zwischen ihnen längst im Reinen gewesen. Mitten im Zimmer stand die etwa vierzehnjährige Irma Russow ganz allein. Keine von den Schwestern war da.
    Paul gab ihr die Hand. Irma hatte eine verhältnismäßig große Nase, war blaß, schlank und blond.
    Gleich nach seinem Eintritte kamen zwei oder drei von den Fratzen und drängelten ihn hinaus.
    In seinem Zimmer durchfuhr es ihn wie eine zweizinkige Gabel, beide Spitzen scharf ausgezogen und völlig unvereinbar. Die aufgesprungene Tür, die weit offen stand, die sich kurz nach Neujahr schon vor ihm überraschend geöffnet hatte, einen bisher unbekannten Raum in seiner ganzen Breite und Tiefe weisend, sie führte nicht in das Zimmer der Schwestern und zu Irma Russow, sondern weit weg davon und in ein ganz anderes Leben, nämlich nach München.
    D ie Eltern Russow waren winzig kleine Leute und von unleugbarer Distinction. Aber auch hinter einer solchen steht oft Geld und Geschäft, diesfalls der Getreidehandel. Das also war’s mit Budapest. Sie hatten ein großes Haus dort; und dem Vater Russow, nachdem sein Bruder in Pest verstorben war, schien’s doch besser, sich wieder in’s eigentliche Zentrum der Affären zu setzen.
    Mit diesem Entschlusse kamen die Russows noch vor dem Frühjahr heraus, und damit endigte sich für Paul Harbach ein Konflikt, der doch kein eigentlicher gewesen war mit gleichschwebenden Schalen, sondern nur ein immer wieder erfolgendes Abweichen von dem, was gewiß, in das, was trotzdem noch möglich blieb. Alles ging danach in einen lang hinausgezogenen Abschied über.
    Vordem hatte er sich schon mehrmals den Mädchen auf dem Eislaufplatze angeschlossen, und die langbeinigen Fratzen wußten solche neue Gepflogenheiten wohl zu deuten in bezug auf Irma, die dabei mancher Peinigung ausgesetzt war. Um diese Zeit traf Paul auch – wie es denn immer in solchen Sachen geht – unvermutet die alten Russows bei seinen Eltern an, und da sein Interesse für Vater und Mutter Irma’s ein echtes war, gewann er mit diesen Herrschaften Kontakt und gefiel (sogar sehr). So wurde er bald mit den Schwestern (sie behandelten ihn jetzt bereits gönnerhaft) zusammen in die Lenaugasse eingeladen, wo die Russows wohnten, garnicht weit von Pauls Elternhaus.
    D as alles änderte nichts und minderte nichts an dem Eingriffe, den die Ergoletti schon kurz nach Neujahr bei ihm getan hatte. Diese aufgesprungene Flügeltür blieb allezeit offen, der Raum dahinter weit, breit und erleuchtet erstreckt.
    So war das frisch gebrochene Tor in ihm und es blieb frisch, auch als es schon einige Wochen alt wurde, und er bereits mit Irma Russow auf’s Eis ging und in die Lenaugasse zu ihren Eltern.
    Denn so ganz unvermutet und gleich auch entscheidend, wie Paul Harbach von der Ergoletti, wird selten einer gepackt.
    Das Wetter nach Neujahr war naß und lau, durch eine Woche etwa (nichts war’s mit dem Eislaufen), es regnete zeitweis. Damit hing’s zusammen, daß dem Paul ein kleiner, schlanker Schirm übergeben wurde, mit dem Auftrage, ihn in’s Hotel Bristol am Kärntner-Ring zu bringen: eine Dame habe ihn heute vormittags stehen gelassen, so und so. Da war also der Name Ergoletti, der dem Paul Harbach weiter nichts sagte. Seine Mutter befahl ihm, einen anderen Anzug zu nehmen als jenen, welchen er vormittags in der Schule getragen hatte. Paul hätte das von selbst getan. Er sah gut aus, war gut ausgestattet. Man hielt darauf. Wie denn anders; die Harbachs stellten feine, bürgerliche Leute vor, sie konnten sich aristokratische Verschlamptheiten in keiner Weise leisten.
    Der Tag war, durch das laue Wetter zu dieser Jahreszeit, schon vom Morgen an ungewöhnlich und erregend gewesen. Paul ging zu Fuß. Der Damenschirm hing mit dem gebogenen dünnen Griff an seinem linken Arm. Das Stubenmädchen hatte ihn einhüllen wollen, in Packpapier, offenbar aus der Empfindung, daß der junge Herr nicht mit einem Damenschirme gehen könne;

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