Die Wassermuehle
angewidert ihren Teller beiseite. Dominique fiel der Hähnchenschenkel aus der Hand.
„Und dann hast du zugeguckt, wie er ihm alle Federn rausgerupft hat. Und geblutet hat’s auch ganz doll.“
Hedi holte Luft. „Christoph-Sebastian! Wirst du jetzt wohl ...!“
„Sadistin!“, rief Dominique.
Hedi warf ihr einen gereizten Blick zu. „Was glaubst du eigentlich, wo die Chicken McNuggets deines Lieblingsrestaurants herkommen?“
Dominique sprang auf. „Es ist ja wohl was ganz anderes, wenn man jemand vor seinem Tod persönlich gekannt hat!“
„Mir wird schlecht“, sagte Vivienne.
Christoph-Sebastian wischte sich über seinen ketchupverschmierten Mund. „Und dann hat der Mann den abgehackten Gockelkopf und das andere Zeugs auf den Mist getan. Und Tim und Tom ham alles ratzeputz aufgefressen.“
Viviennes Gesichtsfarbe wechselte ins Grünliche. Dominique fing an zu weinen. „Du Tiermörderin! Wer weiß, was du mit meinem armen Alfred gemacht hast!“
„Wer ist Alfred?“, fragte Uwe.
„Hamstersuppe“, sagte Christoph-Sebastian.
Vivienne hielt sich mit ihrer gesunden Hand am Tisch fest. „Das ist ja grässlich! Mir ist speiübel.“ Sie wankte aus dem Zimmer. Dominique stolperte hinter ihr her.
Uwe nahm sich ein knuspriges Stück Fleisch aus dem Topf. „Ihr Stadtleute seid ein komisches Volk.“
Hedi zuckte mit den Schultern. „Sei so gut und frag deine Mutter, ob sie Juliettes Kaninchen haben will. Meine Familie isst nur Tiere, die in der Gefriertruhe aufgewachsen sind.“
Uwe kratzte sich verlegen am Kinn. „Bitte glauben Sie mir, Frau Winterfeldt: Ich wusste nichts von Dominiques Plänen.“
„Sie beruhigt sich schon wieder.“
„Wenn sie es darauf anlegt, kann sie ziemlich stur sein.“
„Das hat sie von ihrem Vater.“
„Der Gockel schmeckt echt megageil“, sagte Christoph-Sebastian.
K APITEL 35
H edi war beim Spülen, als sie ein Auto auf den Hof fahren hörte. Das Motorgeräusch hätte sie unter hundert anderen erkannt. Sie trocknete sich rasch die Hände ab und ging hinaus. Klaus hatte den Opel zwischen ihrem Bus und Viviennes Cabrio abgestellt und kam lächelnd auf sie zu.
„Hallo, Hedi. Ich freu mich, dich zu sehen.“
Sie freute sich auch, ihn zu sehen. „Was treibt dich denn vor dem Nachtdienst in die Wildnis? Oder hast du heute frei?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich war zufällig in der Gegend und dachte, ich schaue kurz vorbei.“
„Verstehe“, sagte sie schmunzelnd. „Rein zufällig. Was hast du denn mit deinem Gesicht angestellt?“
Er fuhr sich übers Kinn. „Beim Rasieren ausgerutscht.“
Sie grinste. „Bevorzugst du etwa wieder Handarbeit? Oder haben sie euch den Strom abgestellt?“
„Der blöde Apparat ist mir gestern runtergefallen.“
Sie küsste ihn auf die unverletzte Wange. „Alles Gute nachträglich zum Geburtstag. Ich habe zigmal versucht, dich anzurufen.“
„Ich war auf einen Schoppen im Vincenzo.“
„Seit wann feierst du auswärts?“
„Inwärts war der Kühlschrank leer.“
„Falls du Hunger hast: Ich könnte dir gebratenen Hofhahn anbieten.“
„Das Beste, was du mit ihm machen konntest!“
„Dominique und Vivienne waren nicht dieser Meinung.“
Klaus grinste. „Die haben keine Ahnung, was gut ist. Her mit dem Vogel!“
Sie gingen in die Küche, und Hedi stellte den Römertopf zum Aufwärmen in den Backofen. Klaus zog sie zu sich heran und küsste sie. „Vor allem habe ich Hunger auf dich!“
„Kann deine Putzfrau etwa nicht kochen?“
„Was?“
„Das bisschen Haushalt schaffst du mit links, was?“
„Nun ja ...“
Hedi entwand sich lachend seiner Umarmung und fing an, die gespülten Teller abzutrocknen. „Sie hörte sich jung an.“
„Sie ist, äh ... Studentin. Verdient sich was dazu.“
„Und was studiert sie Schönes?“
„Jura, glaube ich.“
„Glaubst du?“
„Gott, ich habe nicht näher gefragt.“
„Wie heißt sie?“
„Äh ... Daniela. Daniela Meyer.“
„Hat sie die Rosen mitgebracht?“
Er nahm ihr das Geschirrtuch ab. „Lass mich das machen.“
Hedi klappte die Brotschneidemaschine auf. Klaus trocknete die letzten Teller ab und hängte das Geschirrtuch über die Herdstange. Sein Magen knurrte.
Er setzte sich an den Tisch. „Ist der Vogel gar?“
Hedi legte das geschnittene Brot in einen Korb und nahm Besteck aus dem Schrank. „Gar schon. Vermutlich aber noch nicht heiß.“
„Egal. Ich hab Hunger.“
Hedi holte den Topf aus dem Ofen und stellte ihn auf den Tisch.
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