Die Wassermuehle
im Atelier alles in Ordnung ist“, sagte Vivienne.
Dominique nickte. Sie fand ihre Mutter auf dem alten Balkenboden; sie saß vor dem Walzenstuhl und betrachtete Spinnweben.
Dominique legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. „Das kriegen wir schon wieder hin, Mama. Uwe kennt bestimmt ein paar Dachdecker, wirst sehen. Soll ich Paps anrufen?“
„Untersteh dich.“
„Aber ...“
„Nein!“ Hedi stand auf. „Ich sage in der Gemeinde Bescheid, dass ich frei nehme. Danach gibt’s Frühstück.“
„Ich könnte ...“
„Du gehst zur Schule.“
Dominique verzog beleidigt das Gesicht. „Wenn du dir nicht helfen lassen willst: Bitte sehr. Aufs Frühstück verzichte ich.“
Als Uwe Stöcker kam, kniete Hedi vor dem Wohnzimmerschrank und blätterte Aktenordner durch.
„Das sieht ja schlimm aus draußen“, sagte er.
Hedi schlug den letzten Ordner zu und stellte ihn zu den anderen zurück. Sie stand auf. „Ist deine Gärtnerei noch heil?“
Uwe nickte.
„Möchtest du einen Kaffee?“
„Wenn Sie einen haben?“ Er folgte ihr in die Küche. „Wo ist denn Ihre Freundin?“
„Meditieren.“
„Ich will ja nichts sagen, aber ...“
Hedi winkte ab. Sie holte zwei Tassen aus dem Schrank und goss Kaffee ein. „Wie sieht’s in Hassbach aus?“
Uwe setzte sich. „Vor dem Nachbarhaus ist eine Fichte umgefallen, und unseren Mülleimer hat’s zerdeppert.“
„Den hätte ich auch geopfert.“
„Ihr Mann hat es gestern übrigens nicht bis nach Offenbach geschafft. Kurz vor Hassbach blieb er mit einem Motorschaden liegen.“
„Hat er im Dorf übernachtet?“, fragte Hedi.
Uwe schüttelte den Kopf. „Er wollte unbedingt zurück. Matthias Mehret hat ihm einen Ersatzwagen gegeben.“
Hedi trank ihren Kaffee aus und stellte die Tasse in die Spüle. „Hast du eine Ahnung, wie ich die Heizung in Gang bringe, ohne dass sie mir um die Ohren fliegt?“
Uwe zuckte die Schultern. „Ich schau’s mir aber gern mal an.“
Sie gingen in den Keller. Der Wasserspiegel in der Waschküche war gesunken, der Heizungsraum trocken. Uwe begutachtete die angerosteten Leitungen und den verrußten Brenner, drehte den Zulaufhahn auf und wartete, bis Öl kam. Er entzündete das Feuer und drückte die gusseiserne Ofentür zu. Hedi reichte ihm ein altes Handtuch; er wischte sich die ölverschmierten Hände ab. „Wenn Sie mich fragen: Das Teil gehört schleunigst ausrangiert. Am besten zusammen mit den Tanks.“
„Warum? Was ist damit?“
„Hat Juliette Ihnen nicht gesagt, dass sich der Tankwagenfahrer letztes Jahr weigerte, die maroden Dinger zu befüllen?“
Hedi nahm ihm das Handtuch ab. „Sie hat mir auch nicht gesagt, dass sie eine Versicherung gegen Sturm für überflüssig hielt.“
Uwe sah sie entsetzt an. „Sie müssen den ganzen Schaden selbst bezahlen?“
Hedi nickte. „Es fragt sich nur, wovon.“
* * *
Alfons Schell hatte seinen besten Anzug angezogen und überreichte Hedi feierlich ein in Seidenpapier eingeschlagenes Schächtelchen, auf das er in zittrigem Sütterlin Dankeschön geschrieben hatte. „Bitte erst zu Hause aufmachen“, sagte er verlegen.
Hedi sah ihn verwundert an. Der alte Mann rieb seine Hände gegeneinander. „Gestern und vorgestern war ein sehr unsympathisches junges Fräulein hier. Ich hatte angenommen, Sie würden es ablehnen, mich länger zu betreuen. Weil ich zu mürrisch bin. Bei der Gemeinde sagte man, Sie kämen heute wieder.“
Es war die längste Rede, die er seit Jahren gehalten hatte. Hedi drückte seine Hände. „Dachten Sie wirklich, ich gebe so schnell auf, Herr Schell? Und jetzt versuchen Sie, ein paar Schritte zu gehen, hm?“
„Aber Schwester! Das kann ich ...“, er lächelte, „... ja mal versuchen.“
Das Schächtelchen war gefüllt mit Nougatpralinés. Hedi naschte zwei davon und fuhr zu Gottfried Hübner. Er saß auf dem Küchenboden und lachte. „Der Wille war stärker als die Beine.“
Hedi kniete sich neben ihn. „Sind Sie verletzt?“
„Ach was! Bei so viel Fett kann man sich gar nicht wehtun. Es ist, als würde ich auf ein weiches Kissen fallen.“
Hedi war schweißgebadet, bis sie ihn auf einen Stuhl gehievt hatte. Gottfried sah sie zerknirscht an. „Ich wollte Ihnen nur ein bisschen Arbeit abnehmen, Schwester Hedi. Aber der Erdmagnet in meinem dicken Hintern hatte wohl was dagegen.“
„Sie sind unmöglich!“
Er zeigte auf den Kühlschrank. „Mein Neffe war vorhin zu Besuch. Wenn Sie vielleicht so nett wären, mir eine
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