Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
Vom Netzwerk:
traf Anette mit ihrem Sohn in der Eichmühle ein. Sie trug ein enggeschnittenes Kostüm und lud umständlich zwei Koffer aus.
    „Die Straße hierher ist eine einzige Katastrophe! Da muss man ja um seinen Wagen fürchten!“
    „Guten Morgen“, sagte Hedi. Sie kam gerade vom Kaninchenfüttern. „Ich dachte eigentlich, dass Daimler solide Autos baut.“ Sie deutete auf die Koffer. „Willst du auch hier Ferien machen?“
    Anette stupste ihren Sohn an, der gelangweilt in der Nase bohrte. „Sag Tante Hedwig guten Tag, Christoph-Sebastian!“
    „Tach. Darf ich mit den Hühnern spielen?“
    „Nein, die brauche ich noch.“
    Hedi nahm einen Koffer und ging ins Haus. Anette hängte ihre Handtasche um und schleppte den zweiten. „Ich bin ja so gespannt darauf, Frau Belrot kennenzulernen!“
    Im Wohnzimmer blieb sie staunend vor dem Kamin stehen. „Ist das ein Werk von Frau Belrot?“
    Hedi nickte. „Der Untergang. “
    „Was für ein spannender Titel! Und dieser pastose Auftrag! Exorbitant.“
    „Möchtest du einen Kaffee?“
    Anette nahm auf dem Biedermeiersofa Platz. „Ja. Schwarz, bitte. Wann und wo hast du Frau Belrot kennengelernt?“
    „In der Schule“, sagte Vivienne von der Tür her. Sie trug einen raffiniert geschnittenen Hosenanzug aus blauer Rohseide und eine elegante Hochsteckfrisur. Lächelnd gab sie Anette die Hand.
    Hedi schaute ungläubig zur Uhr. „Hattest du eine Maus im Bett oder ist im ersten Stock eine Bombe explodiert?“
    Vivienne lachte. Anette verzog angewidert das Gesicht. „Ihr habt Mäuse in eurem Haus?“
    „Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge führen Mikropartikel aus getrocknetem Mäusekot bei Erstklässlern zu akuten Atemproblemen“, sagte Hedi und ging in die Küche.
    Anette lächelte. „Ich freue mich außerordentlich, Sie kennenlernen zu dürfen, Frau Belrot.“ Sie zeigte zum Kamin. „Ihr Untergang ist wirklich ein ungewöhnlich spannendes Exponat.“
    Vivienne winkte ab. „Eine kleine Spielerei mit Farbwertkontrasten. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen nachher im Atelier weitaus substanziellere Arbeiten zeigen.“
    „Aber gern, Frau Belrot. Ich interessiere mich sehr für moderne Malerei.“
    „Es gibt moderne Krawatten, moderne Schuhe, moderne Autos, aber Kunst unterliegt niemals den Ansprüchen auf Mode.“
    Anette wurde rot. „Sie haben selbstverständlich recht, Frau Belrot. Bitte entschuldigen Sie.“
    „Das habe ich mal irgendwo gelesen. Ich glaube, es war im Spiegel.“
    Anette lachte gekünstelt. „Wirklich originell gesagt, ja.“
    „Hedi erwähnte, dass Sie Kunstsammlerin sind.“
    „Das ist richtig.“
    „Welche Stilrichtung bevorzugen Sie?“
    „Ich präferiere experimentatorische junge Kunst.“
    „Sie meinen experimentelle Arbeiten junger Künstler?“, fragte Vivienne höflich.
    „Ja, genau. Junge Künstler und ihre experimentellen Bilder.“
    Hedi scheuchte Christoph-Sebastian vor sich her ins Wohnzimmer. Sie stellte Anette und Vivienne Tassen hin und schenkte Kaffee ein.
    „Ich lege großen Wert darauf, dass meine Arbeiten etwas Eigenständiges darstellen und bin bestrebt, sie der Einordnung in Schubladen zu entziehen“, sagte Vivienne.
    „Aber Sie haben doch sicherlich Vorbilder?“
    „Ja. Vasarély und die Groupe de Recherche d’Art Visuel, Picasso, Klee, Kandinsky ... vor allem aber Claude Monet. Ich kenne keinen anderen Maler, der in seinen Arbeiten dem Flimmern von Luft und Licht und damit der Grenze zur Auflösung des Gegenständlichen so nahe kam wie er.“
    Christoph-Sebastian inspizierte Juliettes alten Nähkorb und verzog sich damit hinters Sofa. Hedi setzte sich.
    „Damit ein Gemälde mehr ist als bloße Dekoration, muss der Künstler nicht nur Impulse haben, sondern sie auch kontrollieren und gezielt und dosiert einsetzen können“, sagte Vivienne.
    Anette nickte. „Genau das ist auch meine Meinung, Frau Belrot.“
    Vivienne erklärte, dass sie der Leuchtkraft und Beständigkeit der Farben wegen ausschließlich in Öl male, und sprach vom Dualismus pikaresk evolvierter Sujets und in Licht und Schatten transformierter Apokatastasen transgredienter Energien. Anette nickte zustimmend und sagte abwechselnd: „Ah ja, ich verstehe“ und „Das ist aber wirklich spannend, Frau Belrot.“ Hedi schüttelte den Kopf. Christoph-Sebastian wickelte Garnrollen ab.
    „Am besten gehen wir ins Atelier hinüber, und ich zeige Ihnen an einigen meiner Arbeiten, was ich meine“, sagte Vivienne.
    Anette stand auf. „Ich bin geehrt,

Weitere Kostenlose Bücher