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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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er zischte, und ein fauliger Kotgestank verpestete das Zimmer. Alys zog einen Hocker heran, legte die drei Puppen auf ihren Schoß und sah sie an.
    Hinter ihr öffnete sich ganz leise die Tür, und Morach schlich auf leisen Sohlen zur Tür herein.
    »Oh«, sagte sie freundlich. »Ich habe deine Magie sogar gespürt, während ich da draußen über die Nachrichten aus London geklatscht habe. Aber ich hätte nicht gedacht, daß du wieder mit den Puppen anfängst.«
    Alys sah sie mit unbewegtem Gesicht an. Sie versuchte nicht einmal, die Monster zu verstecken, die sie aus Morachs kleinen Figuren gemacht hatte.
    »Du greifst wieder nach deiner Macht, nicht wahr?« fragte sie Morach.
    Alys nickte wortlos.
    Alys sagte nichts. Die Puppen in ihrem Schoß schimmerten feucht im Feuerschein, als würden sie wieder zum Leben erwachen nach ihrer langen, kalten Wache außerhalb der Schloßmauern.
    »Von Hugo verlassen zu werden hat dich schwer getroffen«, sagte Morach leise. Sie sah Alys nicht an, sondern schaute direkt ins Feuer, als könnte sie dort mehr sehen. »Du hast gesehen, wie er in den Fluß gehechtet ist und Catherine herausgezogen hat. Du hast gesehen, wie er sie warm eingepackt hat und sie dann, so schnell sein Pferd laufen konnte, nach Hause brachte. Du hast gesehen, wie er sie umarmt und geküßt hat, und jetzt siehst du ihn, wie er unaufgefordert jeden Tag an ihrer Seite erscheint und die Nacht in ihrem Bett verbringt. Und sie wächst und strahlt und gedeiht unter seiner Liebe! Du dagegen — arme kleine Seele Alys -, du bist wie ein Schneeglöckchen in irgendeiner schattigen Ecke des Waldes. Du wächst und blühst in schweigsamer Kälte, und dann stirbst du.«
    Der Geruch des brennenden Beutels verbreitete in dem Raum eine Vorahnung auf die Hölle.
    »Du willst also deine Macht«, sagte Morach. »Du willst dir die Puppen wieder Untertan machen, damit sie nach deiner Pfeife tanzen.«
    »Forme ihn neu«, sagte Alys plötzlich und reichte Morach die verstümmelte Puppe von Hugo. »Mach ihn wieder ganz. Ich habe ihm befohlen, mich nicht mehr zu sehen, mich nicht mehr zu hören oder zu berühren. Ich habe ihm befohlen, mit Catherine zu schlafen und sie zu schwängern. Befreie ihn von meinen Befehlen. Mach ihn wieder ganz und voller Leidenschaft für mich. Mach ihn zu dem, was er an Weihnachten war, als er mich vom Festmahl wegtrug, um mit mir zu schlafen. Mach ihn, wie er war, als er sie gezwungen hat, klein beizugeben, und falsche Eide geschworen hat, um mich zu schützen. Mach ihn zu dem, was er war, als wir am Feuer saßen — genau in dem Zimmer, in dem sie jetzt sitzt — und er mir erzählt hat, wie sie ihn anwidert und daß er nur mit ihr schläft, um mich zu schützen, und daß sein Körper und seine Seele nur mich begehren.«
    Morach saß ganz still da, dann schüttelte sie langsam, fast traurig den Kopf. »Es geht nicht«, sagte sie leise. »Es gibt keinen Zauber, der das kann. Du müßtest die Zeit selbst zurückdrehen. All das, was seither passiert ist, ist passiert, Alys. Das kann nicht rückgängig gemacht werden.«
    »Ein Teil davon schon.« Alys ließ nicht locker, ihr Gesicht war verkniffen, die Stimme giftig. »Das Kind kann rückgängig gemacht werden, Morach. Das Kind kann tot zur Welt kommen. Catherine kann sterben. Und selbst wenn er mich dann nicht liebt —wenigstens liebt er sie dann auch nicht. Und wenn sie fort ist und das Kind auch, wird er sich mir wieder zuwenden.«
    Morach schüttelte den Kopf. »Ich werde es nicht tun. Nicht einmal für dich, Alys, mein armes Kind.« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Ich habe Kinder abgetrieben und Frauen zu Fehlgeburten verholfen«, sagte sie. »Ich habe Vieh krank gemacht und, ja, Menschenleben zerstört. Aber es waren immer Leute, die mir fremd waren oder die ich Grund hatte zu hassen. Oder die Kinder waren ungewollt, und die Frauen wollten sie unbedingt loswerden. Ich könnte nicht das Kind einer Frau verfluchen, mit der ich zusammenlebe, deren Brot ich esse. Ich könnte es nicht tun, Alys.«
    Schweigen legte sich über den Raum. Der letzte Rest des brennenden Beutels flackerte auf und zerfiel zu Asche.
    »Dann sag mir, wie es geht«, zischte Alys. »Ich kann es ihr antun. Ich hätte sie an jenem Tag ertränkt, wenn du dich nicht eingemischt hättest, Morach. Ich werde jetzt ein Ende mit ihr machen. Und ich warne dich: Misch dich nicht ein.«
    Morach schüttelte den Kopf. »Tu's nicht, Alys«, warnte sie. »Ich kann nicht voraussehen, wie es endet,

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