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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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verkauft wurde. Alys entdeckte ein Mädchen etwa in ihrem Alter, so um die siebzehn. Sie war barfuß, mit einem braunen Schal über den Schultern und einem schmutzigen grauen Kleid darunter. Ein teiggesichtiges Kleinkind klammerte sich an ihre Röcke, und auf der Hüfte trug sie ein zweites Kind. Ihr Gesicht war von Schwären entstellt, und sie hatte ein blaues Auge. Ihr ungekämmtes, ungewaschenes Haar hing in dicken Rattenschwänzen über ihre Schultern. Sie knickste, als die Herrschaften vorbeiritten. Doch Hugo sah sie nicht einmal an.
    Das hätte ich sein können, dachte Alys mit regloser Miene und starr nach vorn gerichtetem Blick. Das hätte ich sein können — verheiratet mit Tom, Sklavin seiner Fäuste und seiner Fleischeslust. Das hätte ich sein können — Morachs Lehrling, immer schmutzig, immer arm. Das hätte ich sein können — kränklich, schwanger, erschöpft. Alles, was ich getan habe, ist besser als das.
    Hugo ritt voraus, locker, selbstzufrieden. Sein blauer Mantel flatterte im Wind, passend zu seinen gebauschten Hosen und dem durch die Schlitze sichtbaren Futter seiner blauen Jacke. Seine schwarzen Reitstiefel, aus feinstem Leder angefertigt, waren auf Hochglanz poliert. Der Wert seiner blauen Wildlederhandschuhe mit Goldstickerei hätte mühelos jede Familie in dieser Stadt monatelang ernähren können. Alys betrachtete seinen Rücken, hin- und hergerissen zwischen Begierde und Haß. Er drehte sich im Sattel um. »Und, geht das Pferd gut?« fragte er.
    Alys schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. »O ja«, sagte sie im Brustton der Überzeugung. »Du mußt mir eins kaufen, ganz für mich allein, Hugo. Einen Rotschimmel, der zu deinem paßt.«
    Hugo nickte abwesend. »Du hast das neue Haus noch nicht gesehen, nicht wahr?« fragte er.
    Alys zögerte kurz, dann ließ sie sich auf den Themenwechsel ein. »Nein. Ich habe nur die Pläne gesehen, als du sie gezeichnet hast, und ich hab die Briefe der Männer in London gelesen, die Häuser im neuen Stil entwerfen.«
    Hugo nickte. »Es ist ein prachtvolles Haus. Wir haben den Boden tief ausgehoben, so daß wir richtige Kellerräume haben werden. Da werden die Sachen selbst im heißesten Sommer kühl bleiben.«
    Alys nickte. Die gepflasterten Straßen der Stadt gingen abrupt in festgestampften Lehm über, eine alte Römerstraße, die nach Norden führte. Auf diesem Boden bewegten sich die Pferde leichter, und Alys gewöhnte sich allmählich an die langen Schritte der Stute.
    »Das Haus zeigt nach Süden, wegen der Sonne«, sagte Hugo. »Es ist in H-Form gebaut, mit der Eingangstür direkt in der Mitte. Zur Linken des Eingangs liegt ein Salon für Catherine und ihre Begleitung. Eine große Halle ist nicht vorgesehen, auch kein großer Speisesaal für alle. Es wird nicht mehr mit den Dienern und den Soldaten zusammen gespeist.«
    Alys lächelte.»Das wird eine große Umstellung sein.«
    Hugo nickte. »Das ist der neue Stil. Außerhalb von London bauen sie überhaupt keine Burgen mehr, nur Häuser, schöne Häuser mit großen, herrlichen Fenstern. Wer will schon ein Heer von Bediensteten — eine Privatarmee? Ich werde die Bauern als Soldaten ausbilden, ich werde immer Männer haben, auf die ich zurückgreifen kann. Aber wir brauchen keine Riesenburg, die zur Belagerung herausfordert! Wir leben in friedlichen Zeiten.«
    »Und du sparst Geld«, neckte ihn Alys.
    Hugo grinste ohne eine Spur von Reue. »Und das ist doch wirklich nichts Schlechtes«, sagte er. »Mein Vater hält noch an den alten Bräuchen fest, nach denen jeder glaubt, daß die Macht eines Mannes nur an der Anzahl seines Gefolges zu messen ist. Ich ziehe es vor, Lord über fruchtbare Ländereien zu sein. Ich hätte lieber Schiffe auf See. Ich hätte lieber Männer, die gegen Lohn für mich arbeiten — jeden Tag arbeiten — und nicht im Wachzimmer herumhängen für den Fall, daß ich sie in einem Jahr brauche.«
    Alys nickte. »Aber Hauspersonal wirst du doch haben«, sagte sie. »Und ein Gefolge auch.«
    »O ja«, sagte Hugo. »Ich werde nicht von Catherine verlangen, daß sie selbst die Mahlzeiten zubereitet!«
    Alys lächelte. »Nein, ich kann mir nicht vorstellen, daß Catherine für ihren Lebensunterhalt arbeitet«, sagte sie.
    »Ich werde Hauspersonal haben und Stallknechte, und Catherine wird ihre Damen behalten, und David wird natürlich bei uns bleiben. Aber die Soldaten können gehen, und auch der Schmied und der Stallmeister und die Bäckerei und das Brauhaus. Wir können unser

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