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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Beutel an ihrem Gürtel.
    »Nein«, sagte sie plötzlich energisch. »Ich werde es selbst aufs Schloß bringen. Es ist eine Reliquie, ein Gürtel, gesegnet von der heiligen Margaret, die Frauen im Kindbett beisteht, und von der heiligen Felicitas, damit es ein Sohn wird. Es hat mir gute Dienste geleistet, ein halbes dutzendmal. Lady Catherine soll es haben. Ihr sollt es haben, Lord Hugo, für Euren Sohn! Ich werde es selbst zum Schloß bringen und in ihre Hände legen.«
    »Gib es mir«, sagte Alys zusehends wütender. »Ich werde es ihr mit deinen Empfehlungen überreichen.«
    Sie streckte die Hand nach der Frau aus, doch die einfache Frau zuckte zurück, als wäre Alys ein gefährliches Tier. Ein Zischen ging durch die Frauen und Männer auf dem Feld, wie das einer Katze, die Gefahr wittert.
    »Nicht in deine Hände!« Die Frau fand plötzlich ihre Stimme wieder, scharf und schrill. »Es ist eine heilige Reliquie, die aus der Abtei gerettet wurde. Die frommen Frauen haben sie zum Wohl der Frauen aufbewahrt, der verheirateten Frauen! Für Frauen, die die Kinder ihres Gatten im heiligen Stand der Ehe austragen. Für Geburten im Ehebett. Nicht für solche wie dich!«
    »Wie kannst du es wagen, mich so verächtlich zu behandeln?« keuchte Alys. Sie griff noch einmal nach dem Beutel.
    Jetzt konnte sie ihn deutlicher sehen. Es war ein kleiner Samtbeutel, der in der Mitte schon ganz abgewetzt war durch die Küsse der Frauen, die um eine leichte Geburt gebetet hatten. Sie kannte ihn aus dem Nonnenkloster. Er war in einem goldenen Kästchen neben dem Altar aufbewahrt worden, und wenn eine schwangere Frau in die Kapelle kam, konnte sie einer der Nonnen zuflüstern, daß sie ihn küssen wollte. Keiner war die Bitte je verweigert worden. Alys merkte, wie sie die Goldstickerei auf dem Beutel anstarrte. Sie erinnerte sich, daß Mutter Hildebrande ihn selbst bestickt hatte. »Meine Mutter«, dachte Alys. Der plötzliche Schmerz machte sie wütend.
    »Du bist ja selbst nicht besser als ein Dieb!« sagte Alys. »Das gehört in das Nonnenkloster, nicht auf eine Heuwiese! Gib es mir!«
    »Hexe!« fauchte die Frau. Sie machte einen Schritt zurück, damit Alys sie nicht erreichen konnte, und dann sagte sie das Wort noch einmal. »Hexe!« Sie flüsterte es, aber es war so klar und deutlich, als hätte sie es geschrien. Alle Umherstehenden erstarrten. Alys fühlte die eisige Stille, die sich über das Feld senkte. Nichts bewegte sich, kein Laut war zu vernehmen. Nortons Frau hätte das Wort nicht sagen sollen, und Alys hätte es nicht hören sollen. Die Erntearbeiter, die Dorfbewohner, die Stadtbewohner und die Leute aus dem Schloß sollten dieses Wort nicht im Sinn haben. Es hätte nicht gesagt werden dürfen. Alys wußte nicht, was sie sagen sollte oder wie sie die plötzliche Gefahr bannen sollte.
    Hugo trat vor. »Norton?« fragte er leise.
    Der Büttel sagte rasch: »Ich bitte um Verzeihung, Mylord«, packte seine Frau am Ellbogen und zerrte sie eilig übers Feld weg. Bei der ersten Frau angelangt, blieb er stehen, schubste sein Weib zu ihr und murmelte ihr schnell ein paar Anweisungen zu. Die beiden beugten ihre Köpfe und verschwanden verängstigt in die Ferne. Norton kam mit hochrotem Kopf zurück.
    »Verdammtes Weibergekeife«, sagte er von Mann zu Mann.
    Hugos Gesicht war streng. »Du solltest auf der Hut sein, Norton. Eine Frau mit loser Zunge könnte leicht der üblen Nachrede bezichtigt werden. Sie kann nicht einfach mit so ernsten Anschuldigungen um sich werfen. Eine edle Lady sollte sich so etwas nicht anhören müssen.«
    Der Mann sagte nichts, schaute nur trotzig drein.
    »Ich glaube, Mistress Alys ist dir noch nicht vorgestellt worden«, sagte Hugo mit gefährlich ruhiger Stimme. »Sie ist eine gute Freundin meiner Frau und die Schreiberin meines Vaters. Heute !st sie meine auserwählte Begleitung. Ich werde den Tanz mit ihr eröffnen.«
    Norton wurde schamrot bis in die Haarspitzen. Alys' blaue Augen starrten ihn herausfordernd an. Er senkte den Kopf zu einer tiefen Verbeugung.
    Alys wartete. Dann reichte sie ihm ihre Hand.
    Er nahm sie zögernd und küßte die Luft direkt über ihrer Haut.
    Sie spürte, wie seine harte, schwielige Hand unter ihrer Berührung erzitterte.
    Er richtete sich auf. »Wir sind uns schon einmal begegnet«, sagte er tapfer. »Ich habe Eure Mutter, die Witwe Morach, gekannt. Ich habe Euch gekannt, als Ihr noch ein Kind wart und in der dreckigen Straße gespielt habt.«
    Alys' Blick war

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