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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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der Kamm ungehindert durchglitt. Hugo, der immer noch wütend war, merkte, daß er das hypnotische Auf und Ab des Kammes durch die seidig goldene Mähne verfolgte. Alys saß auf ihrem Hocker vor dem Kamin, schloß die Augen und summte leise vor sich hin. Hugo lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand und beobachtete sie mit regloser Miene. Obwohl sie die Augen geschlossen hatte, konnte Alys ihn genau verfolgen. Sie beschloß, ihm etwas Wein mit einer Prise Erdwurz zu geben. Es waren schon einige Tage vergangen, seit sie Hugo das letzte Mal in einen Drogenrausch von Irrsinn und Begierde versetzt hatte. Es kribbelte sie in den Fingerspitzen, die Fäden zu ziehen und Hugos Gelüste wieder tanzen zu lassen. Und diesmal würde sie ihn auf allen vieren um eine Berührung betteln lasen. Alys lächelte mit immer noch geschlossenen Augen. Sie konnte nicht zulassen, daß Hugo sie als Hure und Närrin beschimpfte, ohne ihn dafür zu bestrafen.
    Ein Klopfen an der Tür ließ sie beide aus dem Netz der Sinnlichkeit hochschrecken. Es war Eliza Herring.
    »Mistress Alys! Lady Catherine ist wach und fragt nach Euch.«
    Alys zog ihr Kleid wieder über die Schulter und schüttelte die Falten aus dem Rock. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich werde Catherine Gesellschaft leisten«, sagte sie verärgert. »Ich werde ihr sagen, daß sie zum Abendessen in der Halle erscheinen muß. Sie bringt uns alle ins Gerede, wenn sie ihre Pflichten vernachlässigt.«
    Hugos Gesicht verriet nichts. »Ich finde, es steht dir nicht zu, Lady Catherine an ihre Pflichten zu erinnern«, sagte er leise. »Du kannst ihr sagen, daß ich es verlange. Deine Wünsche sind in dieser Angelegenheit nicht von Bedeutung.«
    Alys zögerte, verunsichert von Hugos Gereiztheit. »Heute nacht...«, sagte sie.
    Hugo schüttelte den Kopf. »Heute nacht oder wann immer mir danach ist«, sagte er barsch. »Aber das hat keinen Einfluß auf deine Dienste für Lady Catherine. Du solltest sie nicht warten lassen.«
    Alys sah ihm ruhig in die Augen. Hugo erwiderte den Blick ohne Furcht und ohne Zuneigung. Alys legte mit zornesrotem Kopf den Kamm beiseite und ging.
    Catherine saß im Bett, gestützt auf ihre exquisiten gestickten Kissen. Ihr Gesicht war vom Schlaf gerötet, ihre Augen blutunterlaufen. »Ich war einsam«, sagte sie ohne jede Vorrede.
    »Das tut mir leid«, sagte Alys und ließ sich nichts von ihrer Wut anmerken. Das Zimmer war erstickend heiß. Es zeigte nach Osten auf den Hof und wurde nachmittags früh dunkel, obwohl der Sommerhimmel blaß und golden durch das Fenster schimmerte. Catherine hatte das Feuer schüren lassen, und auf dem Tisch brannten Kerzen. Das Zimmer roch säuerlich. Auf der Anrichte stapelten sich Süßspeisenteller und Catherines Cremetöpfe, Salben und Duftwasser, ein umgekippter Becher, dessen Reste die Platte verklebten, und ein leerer Bierkrug.
    »Ich hatte einen schlechten Traum«, sagte Catherine. »Ich hab geträumt, Hugo hätte mich verlassen, wäre nach London gereist. An den Hof des Königs.« Ein leiser Schluchzer. »Wie Vater.«
    Alys setzte sich auf das Bett und nahm Catherines feuchte Hand. »Trauert nicht«, sagte sie. »Er ist nicht fort. Er wird nirgends hinreisen. Denkt an das Baby. Es ist schlecht für das Baby, wenn Ihr weint. Hugo ist glücklich und zufrieden hier. Er hat keine Reisepläne. Und selbst wenn er es täte, Heinrich ist ein gütiger König. Hugo könnte bei Hof nichts falsch machen.«
    Catherine lehnte sich in die Kissen zurück. Ihr Gesicht war gerötet, ein kleines Schweißrinnsal tropfte zwischen ihren riesigen Brüsten in ihr Kleid.
    »Mein Rücken tut weh«, jammerte sie. »Er tut wieder weh.«
    Alys versuchte, ihre Ungeduld zu kaschieren. »Wart Ihr den ganzen Tag im Bett, Catherine?« fragte sie.
    Catherine nickte.
    »Wenn Ihr Euch nicht bewegt, werdet Ihr schwerfällig und müde werden, und dann wird Euch natürlich alles weh tun«, sagte Alys. »Ich werde Euch helfen aufzustehen.«
    Catherine schüttelte wieder den Kopf. »Ich kann nicht herumgehen«, quengelte sie. »Ich bin lahm. Meine Knöchel tun weh und meine Knie. Meine Beine tun überall weh. Du verstehst das nicht, Alys. Ich bin zu alt und zu müde, um dieses Baby zu tragen und zu gebären.«
    Sie schluchzte leise.
    Alys beugte sich vor und streichelte Catherines Stirn, strich das braune Haar zurück, das in schlaffen Strähnen an ihrem Gesicht klebte.
    »Und wie wär's mit einem Bad?« schlug Alys vor. »Ich könnte Euch ein

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