Die weise Frau
glauben, daß ich zaubere!«
»Mach weiter!« Morach gestikulierte ungeduldig. »Schreib noch ein paar. Ich muß dieses Pulver verpacken. Es ist deine Schrift, Alys, die das Pulver wirksam macht. Seit du zurückgekommen bist, kuriert der Fenchel den Brechreiz. Sie glauben, daß du die schlaue Frau bist und ich deine Dienerin. Sie behaupten, du seist vom Teufel geschickt. Sie glauben, daß die Feuer der Hölle den Saum deines Gewandes versengt haben und du die Braut des Teufels bist.«
»Wer sagt das?« fragte Alys tapfer, aber ihre Stimme zitterte etwas.
»Liza — Toms Frau«, sagte Morach mit triumphierender Stimme. »Sie erzählt, daß du Toms Schlaf verhext hast. Er ruft deinen Namen im Schlaf — ein sicheres Zeichen für Zauberei.«
Alys lachte verbittert. »Oh, ja«, sagte sie giftig. »Er ruft mich, damit ich ihn vor ihrer scharfen Zunge rette.«
»Warum verfluchst du sie nicht?« Morachs Gesicht strahlte in der zwielichtigen Hütte. »Versuch's! Verfluche sie, damit sie stirbt und Tom zum Witwer mit großer Mitgift macht. Dann kann er zu dir zurückkehren, und du kannst mit deinen rauhgewordenen Händen sein Land bestellen. Sie ist eine gehässige Frau, die keinen einzigen Freund hat. Keiner würde sie vermissen.«
»Nicht«, sagte Alys hastig. »Sag so etwas nicht. Du weißt, daß ich es nicht tun würde, und auch, daß ich keine solchen Kräfte habe.«
»Du hast die Macht!« sagte Morach unbeirrt. »Du weißt es, und ich weiß es! Du bist vor deiner Macht davongelaufen und hast gehofft, Gott würde dich schützen, wenn du deine Künste vergißt. Aber jetzt bist du wieder hier bei mir, und es ist, als wärst du nie fortgewesen. Es gibt keine sicheren Nonnenklöster mehr! Du wirst für immer hier bleiben, außer du gehst zu einem Mann. Warum nicht zu Tom? Er hat dir doch recht gut gefallen, als du jung warst, und er hat keine andere Frau je geliebt. Du solltest Liza töten. Ich kann dir sagen wie. Ich weiß Hunderte von Möglichkeiten. Und dann hättest du ein bequemes Leben in Toms Farmhaus, könntest dich jeden Tag waschen, solange du willst, und sogar deine Gebete sprechen, und stell dir bloß vor, wie wir da essen würden! Nur ein kleiner Zauberspruch und ein so großer Unterschied. Mach es, Alys!«
»Ich kann nicht«, sagte Alys verzweifelt. »Ich kann es nicht. Und selbst wenn ich es könnte, würde ich es nicht tun. Ich habe keine Macht außer durch das, was ich in der Abtei gelernt habe. Ich werde nicht mit deinen Zaubersprüchen herummurksen. Ich werde mich nie deiner falschen Künste bedienen.«
Morach beschäftigte sich nach kurzem Achselzucken weiter mit den Papiertüten. »Und du wirst doch«, sagte sie leise. »Ich weiß, daß du die Macht in deinen Fingerspitzen fühlst. Du hast ihren Geschmack auf der Zunge. Nicht wahr, Alys? Wenn du allein im Moor bist und der Wind sanft bläst, weißt du dann nicht, daß du ihn rufen kannst? Ihn dahin schicken, wo dein Wille ihn haben will? Gesundheit oder Krankheit bringen lassen? Reichtum oder Armut? Als du auf deinen Knien in der Abtei lagst, hast du da nicht die Macht um dich herum und in dir gefühlt? Ich fühle die Macht in mir — ja, und auch in dir. Die alte Äbtissin hat das genau erkannt. Sie wollte diese Macht für ihren Gott! Und jetzt ist deine Macht wieder befreit, und du kannst sie einsetzen, wo du willst.«
Alys schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie entschieden. »Ich fühle nichts. Ich habe keine Macht.«
»Schau das Feuer an«, sagte Morach. »Schau in das Feuer.«
Alys schaute in die glimmenden, schlecht geschnittenen Torfstücke und den brennenden Scheit, der in der Glut lag.
»Mach es blau«, flüsterte Morach.
Alys spürte den Gedanken an blaue Flammen in ihrem Verstand, verweilte kurz bei dem Bild der blauen Flammen vor ihrem inneren Auge. Die Flammen nickten, flackerten und brannten dann klar, vergißmeinnichtblau. Die Glut strahlte wie ein Sommerhimmel, die Asche war dunkelviolett.
Morach lachte begeistert. Alys riß ihren Blick von dem Feuer los, und die Flammen zuckten und brannten dann ruhig weiter.
Alys bekreuzigte sich hastig. »Hör auf, Morach«, sagte sie irritiert. »Dumme Tricks, mit denen man Kinder erschreckt. Als ob mich das täuschen könnte, nach einer Kindheit mit dir und deinen verlogenen Künsten.«
Morach schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts angefaßt«, sagte sie ruhig. »Es waren dein Blick und dein Verstand und deine Macht. Und du kannst genauso davor weglaufen, wie du vor deinem
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