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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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jedem Finger ein perfekter Wirbel — die Fingerspitzen waren gesund.
    »Wir sind beide nicht normal!« rief Hugo. Er bückte sich und gab ihr einen Kuß auf die Wange. »Laß mich gehen, Alys! Ich will auf die Jagd!«
    »Sind deine Ohren in Ordnung?« fragte sie, als er zur Tür ging. Er drehte sich um und grinste sie an, sorglos wie ein Kind. »Ja! Ja! Ich bin gesund, und einige Körperteile sind in bester Verfassung! Darf ich jetzt gehen.«
    Alys mußte wider Willen lachen, und trotz ihrer Angst wurde ihr leichter ums Herz. »Dann geh«, sagte sie.
    Die Tür schlug zu, und er war fort. Alys zog die Decke an sich und glitt an die warme Stelle, wo sein Körper gelegen hatte. Sie drückte sich fest in die Kühle und versuchte, ihre Ängste zu verdrängen.
    »Ich werde nicht daran denken«, sagte sie, als ihr die Augen zufielen. »Ich werde nicht daran denken.«
    Catherines Tür stand offen, als die Damen am Morgen in die Galerie kamen. Sie lag ausgestreckt auf dem Bett und erwartete sie.
    »Ich werde hier frühstücken!« brüllte sie. »Du, Ruth, bring mir Brot und Bier. Ich möchte etwas Roastbeef oder Wildbret und ein bißchen Ziegenkäse. Ich hab gestern abend gefastet, und jetzt bin ich hungrig. Beeilt euch!«
    Eliza grinste Alys frech an. »Sie ist betrunken!« flüsterte sie. »Gütiger Gott, was denn noch alles!«
    Alys ging zur Tür. Neben Catherines Bett lag der Krug, den sie im Schrank der Galerie aufbewahrten, er rollte über den Boden und hinterließ eine Spur roter Tropfen.
    »Woher habt Ihr den Wein?« fragte Alys.
    Catherines Gesicht war gerötet, das Haar zerzaust, und ihre Augen blitzten triumphierend. »Bin im Morgengrauen in die Halle runter!« sagte sie. »Ich kann mich selbst bedienen, wenn es sein muß, weißt du. Ich bin kein quengeliges Kind, das man schikanieren kann. Ich bin seit Jahren Herrin des Schlosses, Lady Catherine. Ich habe einen Pagen wach getreten, und er hat mir etwas zu essen und Wein gebracht. Seitdem trinke ich.«
    Die Damen hinter Alys gackerten vor Entsetzen.
    »Im Hemd in die Halle«, sagte Ruth leise. »Du meine Güte!«
    Alys verkniff sich ein Lächeln. »Ihr seid betrunken«, sagte sie streng zu Catherine. »Es wäre das beste, wenn Ihr etwas Brot eßt und dann schlaft. Später wird Euch ohnehin sehr übel sein.«
    Catherine schüttelte den Kopf und zeigte mit herrischem Finger auf ihr Fenster. »Ich gebe hier die Befehle, Alys. Ich habe noch nicht das Kommando über ein Schwein und eine Kuh am Rande des Moors. Man hat mich noch nicht zu deinen und zu dessen Gunsten, was du in deinem Bauch trägst, in Schande fortgejagt! Geh und hol mir Wein. Clary hätte ich gern — das ist ein guter Wein für tagsüber. Und ich möchte Bier zu meinem Frühstück. Und dann laß mir ein Bad bringen. Ich werde baden. Und ich werde heute in der Halle speisen.«
    Alys hörte, wie Eliza ihr Kichern mit vorgehaltener Hand unterdrückte. Sie drehte sich um. »Sie ist unmöglich«, sagte sie zu den Damen. »Eine von euch muß bei ihr bleiben. Wir müssen ihr gehorchen. Sie wird ohnehin bald vom Trinken in Ohnmacht fallen.«
    »Mein Frühstück!« herrschte Catherine sie an, mit der Autorität der sehr Betrunkenen. »Sofort, Mädel!«
    Seit vielen Monaten hatte Alys keiner mehr »Mädel« genannt. Alys nickte Catherine mit ironischem Grinsen zu. »Sofort«, sagte sie gespielt unterwürfig. Sie schloß die schwere, geschnitzte Tür und deutete auf Ruth und dann auf Mary.
    »Du holst ihr Frühstück, was immer sie wollte. Es spielt keine Rolle, sie wird es ohnehin gleich wieder erbrechen. Und du, Mary, gehst in die Küche und sagst ihnen, sie sollen das Wasser für ihr Bad heiß machen.«
    Die beiden nickten. Alys ließ die übrigen hinunter zum Frühstück und wartete im Vorraum, bis David und der alte Lord die Treppe vom runden Turm herunterkamen.
    »Guten Morgen, Alys«, sagte der alte Lord.
    Alys trat vor und küßte ihm die Hand.
    David öffnete den beiden die Tür, und sie traten gemeinsam in die Halle.
    Das Frühstück wurde im Schloß ohne große Zeremonie eingenommen. Man hielt sich nicht lange damit auf, denn es gab in den frühen Morgenstunden viel zu viel zu tun. Hugo war längst unterwegs — mit Stephen auf der Jagd. Die meisten Soldaten hatten schon im Morgengrauen gegessen und waren auf ihren Posten. Alys saß neben dem Lord und aß sein bestes Brot mit ihm, dazu trank sie eine Tasse heißes Wasser mit etwas Kamille.
    »Was ist das für ein Gebräu?« fragte der alte

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