Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
stehe, wenn das dein Wunsch ist, und gehe dann zum Essen. Du hast die Wahl.«
    Alys löste ihren Gürtel und ließ ihr Gewand zu Boden gleiten. Der Zwerg musterte sie wie eine Zuchtstute. Sein Blick glitt über die Rundung ihrer Brüste unter dem groben, gewebten Hemd, prüfte ihre schmale Taille und ihre glatten, jungen, muskulösen Seiten. Sein Mund verzog sich zu einem lautlosen Pfiff.
    »Der alte Lord hat schon immer ein gutes Auge für Weiber gehabt«, murmelte er vor sich hin. »Wie's aussieht, hat er sich die Beste von allen fürs Totenbett aufgehoben!«
    Alys warf das Gewand über ihren Kopf und zog es herunter, steckte ihre Arme durch die weichen, gewebten Ärmel. Sie waren mit weißer Seide gefüttert und geschlitzt, damit der feine weiße Stoff durchschimmerte. Am Handgelenk hatten sie kleine Manschetten und einen Hornknopf. Sie drehte David ihren Rücken zu, und er schnürte die scharlachroten Bänder an ihrem Gewand schweigend zusammen. Dann warf sie einen Blick auf den Stomacher und den Überrock.
    »Ich weiß damit nicht umzugehen«, gestand sie.
    Davids Blick war neugierig. »Ich dachte, Jungfern träumen von nichts anderem«, sagte er. »Als nächstes kommt der Überrock, und der wird hinten gebunden.« Er hielt ihn für sie, und Alys stieg hinein und ließ sich den Rock von ihm um die Taille binden. Er reichte von ihrer Taille bis zum Boden, vorne blieb ein offener Schlitz, durch den das schlichte Rot zu sehen war. Alys ließ ihre Hände über den Rock gleiten. Die Silberstickerei war kalt und kratzig unter ihren Handflächen. Der Rock war zu lang — Meg, die Hure des alten Lords, war eine große Frau gewesen.
    »Jetzt das«, sagte David. »Beeile dich, Mädchen!« Er hielt ihr das Leibchen hin, und Alys steckte die Arme durch die weitgeschnittenen, hängenden Ärmel und drehte sich wieder um, damit David sie hinten zuschnüren konnte.
    »Verdammte Zofenarbeit«, schimpfte er, als er die Silberschnüre festzog und durch die Löcher fädelte. Er band eine feste Schleife am Ende des Leibchens und steckte sie unter die mit Fischbein verstärkte Taille. Alys wandte sich ihm zu.
    »Zieh's vorne runter«, befahl er. »Und ziehe die Ärmel runter.« Alys tat, wie ihr gewiesen. Das Leibchen war zu lang für sie, endete an der Rundung ihrer Hüfte, und das spitze V ragte zu weit nach unten. Er zwang sie in aufrechte Haltung und drückte ihre Brüste so, daß ihr Körper vom reichen Saum ihrer Röcke bis zum eckigen Ausschnitt des Gewandes eine glatte Linie bildete. Sie zog an den beiden Überärmeln. Sie fielen lang und schwungvoll fast bis zum Boden, und die Unterärmel bauschten sich wie üppige, geschlitzte Beutel darunter. David nickte.
    »Und der Gürtel wird lose darum geschlungen«, sagte er. Alys knotete den Silbergürtel so, daß das lange Ende vorne hinabfiel, ihre schmale Taille betonte und die spitze Linie des Oberteils eine raffinierte Andeutung auf das begehrenswerte Dreieck am Ansatz ihrer Schenkel gab. Sie strich mit der Hand über ihre kurzen Haare.
    David nickte. »Ein süßerer Honigtopf als Meg«, murmelte er. »Wer wird seine Zunge in diesen Topf stecken?«
    Alys ignorierte die Bemerkung. »Gibt es nichts, womit ich meinen Kopf bedecken kann?«
    Der Zwerg kramte in der Truhe. »Nichts, was man tragen kann, ohne es an den Haaren festzustecken«, sagte er. »Du gehst am besten ohne Kopfputz.«
    Alys schnitt eine Grimasse. »Wahrscheinlich wird mich sowieso keiner anschauen«, sagte sie.
    »Sie werden nichts anderes anschauen«, sagte er mit boshafter Genugtuung. »Die Hälfte hält dich für eine heilige Heilkundige und die andere Hälfte für seine Hure. Und der junge Lord...«, er verstummte.
    »Was?« fragte Alys. »Was ist mit dem jungen Lord?«
    »Er hat ein gutes Auge, wenn's um hübsche Weiber geht«, sagte der Zwerg schlicht. »Und außerdem hat er ein Hühnchen mit dir zu rupfen. Wenn der alte Lord gestorben wäre, hätte er zum Hofe des Königs gehen können, sein zänkisches Eheweib zum Teufel jagen und sich einen Platz unter den Großen verschaffen können. Er wird dir nicht dafür danken.«
    »Sein zänkisches Eheweib? Er ist verheiratet?« erkundigte sie sich.
    Der Zwerg machte ihr ein Zeichen, ihm zu folgen, und führte sie eine gewundene Steintreppe hinunter. Als sie an einer Schießscharte vorbeikamen, atmete Alys den kalten Wind ein, der vom Moor Tees kam. Er roch nach ihrem Zuhause, ihrer Kindheit. Einen kurzen Augenblick lang sehnte sie sich sogar nach der kleinen Kate

Weitere Kostenlose Bücher