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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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aus dem Brunnen im Hof. Und nicht aus dem Brunnen in der Stadt.«
    Der alte Mann nickte. »Wenn Ihr friert, deckt Euch gut zu und laßt mehr Decken kommen«, sagte Alys. »Und wenn Euch heiß ist, laßt sie wegnehmen. Ihr müßt das machen, wonach Euch zumute ist, dann wird das Fieber fallen.«
    Sie wandte sich vom Bett ab zu ihrem Schal, der neben dem Feuer ausgebreitet lag. Sie zögerte kurz angesichts der Päckchen mit verbranntem Fenchel und zuckte dann die Achseln. Sie würden wahrscheinlich nicht helfen, aber schaden konnten sie auch nicht.
    »Nehmt eins von diesen, jeden Abend vor dem Einschlafen«, sagte sie. »Habt Ihr viel gebrochen?«
    Er nickte.
    »Wenn Ihr spürt, daß Ihr brechen müßt, dann müßt Ihr das Fenster öffnen lassen.« Der kleine Mann am Kopfende des Bettes keuchte vor Entsetzen. »Und die Schrift laut lesen.«
    »Die Nachtluft ist gefährlich«, sagte der Zwerg streng. »Und was ist das für eine Schrift? Ist das ein Zauberspruch?«
    »Die Luft wird verhindern, daß er sich erbricht«, sagte Alys gelassen, als wüßte sie genau, was sie da machte. »Und das ist kein Zauberspruch, sondern ein Gebet.«
    Ein schwaches Kichern kam von dem Mann im Bett. »Du bist ein Philosoph, Mädel!« sagte er. »Kein Zauberspruch, sondern ein Gebet! Heutzutage kann man dich für beides hängen.«
    »Es ist das Vaterunser«, sagte Alys hastig. Der Scherz war zu gefährlich in diesem finsteren Raum, wo man auf Hexerei lauerte und gleichzeitig auf ein Wunder hoffte, das den alten Mann heilte.
    »Und gegen das Fieber werde ich Euch ein Pulver mahlen, das Ihr in Euer Getränk mischen könnt«, sagte sie. Sie gab die kleinen getrockneten giftigen Tollkirschen, die Morach in das Bündel gepackt hatte, in den Mörser.
    »Hier«, sagte sie und gab ihm eine Prise davon. »Und später werdet Ihr mehr brauchen. Ich werde für heute abend etwas hierlassen, und morgen früh komme ich wieder.«
    »Du bleibst«, sagte der alte Mann leise.
    Alys zögerte.
    »Du bleibst. David, hol einen Strohsack für sie. Sie soll hier schlafen, hier essen. Sie darf mit keinem reden. Ich dulde keinen Tratsch.«
    Der Zwerg nickte und verschwand. Der Vorhang an der Tür bewegte sich kaum.
    »Ich muß nach Hause gehen, Mylord«, sagte Alys atemlos. »Meine Verwandte erwartet mich. Ich könnte morgen früh wiederkommen, so früh Ihr wollt.«
    »Du bleibst«, wiederholte er. Seine schwarzen Augen musterten sie von Kopf bis Fuß. »Ich sag dir eines, Mädchen, es gibt einige unter diesem Dach, die würden dich kaufen heute nacht, um mich zu vergiften. Es gibt auch einige, die dich als Betrügerin verurteilen würden, wenn es dir nicht gelingt, mich zu heilen. Da draußen sind Männer, die sich deiner bedienen und dich in den Graben werfen würden, wenn sie genug von deinem jungen Körper hätten. Du bist hier bei mir am sichersten, aber nur, wenn ich überlebe. Du bleibst.«
    Alys beugte den Kopf und wickelte Morachs Schal wieder um ihre Habseligkeiten.
    Die nächsten fünf Tage lebte Alys in einer kleinen Kammer neben dem Zimmer des alten Lords. Sie sah niemanden außer Hugh und dem Zwerg. Der Zwerg brachte ihr Speisen und Getränke. Eines Tages erwischte sie ihn dabei, wie er sowohl ihre Mahlzeit sowie die für Lord Hugh vorkostete. Sie sah ihn mit fragendem Blick an, so daß er verächtlich schnaubte.
    »Glaubst du etwa, du wärst der einzige Kräuterkundige hier im Lande, Mädel? Es gibt viele Gifte zu kaufen. Und es gibt viele, die vom Tod des Lords profitieren würden.«
    »Diesmal wird er nicht sterben«, sagte Alys, und das voller Zuversicht. »Er ist auf dem Wege der Besserung.«
    Jeden Tag aß er etwas mehr. Er setzte sich im Bett auf und unterhielt sich mit Alys und dem Zwerg, und seine Stimme war kräftig und klar wie eine Glocke. Am sechsten Tag verkündete er, daß er sein Mittagsmahl in der Halle mit seinen Leuten einnehmen würde.
    »Dann werde ich mich von Euch verabschieden«, sagte Alys, nachdem er seinen schwarzen Hut auf das lange weiße Haar gedrückt hatte, eine pelzgefütterte Robe über sein dickes, gestepptes Wams angelegt hatte und in gestickte Pantoffel geschlüpft war. »Lebt wohl, Mylord, ich freue mich, daß ich Euch zu Diensten sein konnte.«
    Er grinste. »Deine Dienste sind noch nicht beendet«, sagte er. »Ich bin noch nicht mit dir fertig, Mädel. Du wirst erst, wenn ich es sage, nach Hause zurückkehren, und keinen Tag eher.«
    Alys beugte ihren Kopf und sagte nichts. Sie schaute wieder auf, und ihre Augen

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