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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Er war an der Pest gestorben, und sie konnte es nicht ertragen, ihn zu verlieren. Sie hat die Wachspuppe gemacht, während er kalt und vergiftet im Zimmer daneben lag. Als sie die Puppe zum Gehen brachte, fing er auch an zu gehen, genau wie sie befohlen hatte.«
    Alys schluckte, obwohl ihre Kehle fast zugeschnürt war. »Es ging ihm besser?«
    Morach kicherte eisig. »Nein«, sagte sie. »Er war tot und kalt, von Schwären übersät, mit leeren Augen und blauen Lippen. Aber er folgte ihr, wohin sie auch ging, genau wie sie befohlen hatte.«
    »Ein Geist?« fragte Alys.
    Morach zuckte die Achseln. »Wer weiß?«
    Alys schüttelte den Kopf. »Das ist widerwärtig!« rief sie. »Das ist Schwarze Magie, Morach! Genauso widerwärtig wie dein Pakt mit dem Teufel. Ich will nichts mit Magie zu tun haben, das habe ich dir schon gesagt. Du führst mich in Versuchung.«
    »Warte, bis du nicht mehr aus und ein weißt«, sagte Morach in vernichtendem Ton. »Warte, bis du hungrig bist. Warte, bis du verzweifelt bist. Und dann bringe mir das Kerzenwachs. Wenn du verzweifelt bist — und das wirst du sein, mein kleiner Engel -, wirst du noch sehr froh sein um meine Macht.«
    Alys sagte nichts.
    »Ich habe Hunger«, sagte Morach plötzlich. »Hole die Speisen und laß uns etwas essen. Ich habe nur noch Holz für eine Stunde, du kannst morgen früh noch mehr sammeln.«
    Alys sah sie haßerfüllt an. »Meine Hände werden weich«, sagte sie. »Und meine Nägel sind sauber und wachsen wieder. Du kannst dir selber Holz holen, Morach. Ich habe dir Essen und Geld gebracht. Das sollte reichen.«
    Morach lachte. »So, die kleine Jungfrau hat also auch Krallen, nicht wahr?« krächzte sie. »Dann werde ich's dir sagen: hinterm Haus habe ich einen guten Holzhaufen. Jetzt hole das Essen.«

6
    Die Novembertage wurden dunkler und kälter, und Alys' Arbeiten als Sekretär des alten Lords vermehrten sich täglich. Er wurde immer gebrechlicher und ermüdete schnell. Wenn ein Bote mit englischen oder lateinischen Briefen kam, ließ er Alys holen, die sie ihm vorlas, denn er war zu erschöpft, selbst über ihren Sinn und Zweck nachzudenken. Wenn der junge Lord Hugo ihm von Urteilen des Bezirks berichtete, von Grenzstreitigkeiten oder Nachrichten aus der weiteren Welt, vom Rat des Nordens oder aus London selbst brachte, hatte er immer Alys an seiner Seite, die gelegentlich Notizen darüber, was der junge Lord sagte, anfertigte oder manchmal nur hinter seinem Stuhl stand und zuhörte. Wenn Hugo dann gegangen war, mit schwingendem, dunkelrotem Umhang und einem frechen Augenzwinkern für Alys, mußte sie dem alten Lord noch einmal berichten, was Hugo gesagt hatte.
    »Er nuschelt so!« meinte er.
    Die Spannung zwischen Vater und Sohn war für Alys deutlich spürbar. Der junge Lord war der kommende Mann: Die Soldaten hörten auf ihn und auch die Bediensteten des Schlosses. Er wollte der Familie nach außen hin mehr Achtung verschaffen. Er wollte nach London gehen und versuchen, einen Platz am Hof des Königs zu bekommen. Der König war ein Angeber und ein Narr — er hatte immer ein offenes Ohr für denjenigen, der ihm guten Rat geben oder ihn amüsieren konnte. Der junge Lord wollte einen Platz an der Tafel der Großen. Er hatte die neue Religion angenommen. Pater Stephen, auch einer der ehrgeizigen jungen Männer, war sein Freund. Hugo sprach davon, ein neues Anwesen zu bauen. Er wollte das alte Schloß verlassen, das Zuhause seiner Familie, seit der erste Hugo mit den normannischen Eroberern den Kanal überquert, das Lordtum als Lohn erhalten hatte und dieses Schloß erbaute. Hugo wollte Handel betreiben, er wollte Geld gegen Zinsen verleihen. Er wollte Löhne auf die Hand bezahlen, Bauern von ihren armseligen Pachtgründen vertreiben und die Schafherden vergrößern, auf großen Schafweiden ohne Zäune. Er wollte Kohle fördern, Eisen schmieden. Er wollte im strahlenden Licht der Sonne stehen. Er wollte etwas riskieren.
    Der alte Lord Hugh stellte sich dem entgegen. Das Schloß war seit Generationen in Besitz der Familie. Sie hatten den Rundturm mit einer Mauer und einem Graben darum erbaut. Nach und nach wurde das Schloß vergrößert, ein zweiter Rundturm für die Soldaten gebaut, die Außenmauer und der Außengraben errichtet, um die Landwirtschaft, einen zweiten Brunnen, Stallungen und das große Pförtnerhaus für die Soldaten zu sichern. Ohne großes Aufsehen zu erregen, hatten sie durch Heiraten ihren Einfluß vergrößert und hatten sogar Land

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