Die weise Frau
grinste ohne eine Spur von Reue. »Dann rede doch nicht mit mir«, sagte sie gelassen. »Unsere Liebe Frau hat dich auserwählt. Sie wird dich beschützen, damit du ihr Spiel spielst, was immer es sein mag. Verlaß dich nur auf sie, mein kleines, heiliges Lämmchen! Wie kommst du dazu, hier Runen zu zeichnen und für die Zukunft zu beten?«
Alys drückte den Kopf in die Schultern und faltete ihre Hände. »Der junge Lord ist meine Gefahr«, sagte sie. »Er könnte mich Unserer Lieben Frau entreißen. Und dann wäre ich verloren.«
»Sie wird ihn nicht blenden, um dich zu retten?« fragte Morach sarkastisch. »Sie wird nicht ihre heilige Hand ausstrecken und ihn daran hindern, dir unter die Röcke zu fassen?«
Alys warf Morach einen vernichtenden Blick zu. »Ich muß eine Möglichkeit finden, mich selbst zu schützen. Er will seinen Spaß mit mir haben«, sagte sie. »Er hat mir befohlen, heute Nacht in sein Zimmer zu kommen. Wenn er mich vergewaltigt, kann ich nie mehr zu den Nonnen zurück. Er würde mich nehmen und dann achtlos wegwerfen, und seine Frau würde mich verstoßen. Ich würde wahrscheinlich nicht mal mehr an den Wachen vorbeikommen, wenn sie wüßten, daß der junge Lord mich berührt hat.«
Morach lachte. »Dann paß auf, daß deine Beine geschlossen und dein Latein frisch bleiben«, sagte sie. »Bete zu Unserer Lieben Frau, und halte dich an den alten Lord.« Sie hielt inne. »Es gäbe schon einige Kräuter, meine kleine Heilige, die seine Geilheit auf dich dämpfen würden, wenn du dich entschließen könntest, sie zu nehmen.«
Alys hob den Kopf. »Ich darf seine Geilheit nicht abtöten«, warnte sie. »Der alte Lord hat es verboten, und er wird mich beobachten. Ich kann Hugo nichts geben, was seine Manneskraft ermatten läßt.«
Morach erhob sich und ging zu den Kräuterbündeln, die an Schnüren von den Balken der Schlafplattform baumelten. »Du wirst das hier einnehmen«, sagte sie. »Mach jeden Morgen einen Aufguß daraus, und trinke ihn, während er abkühlt. Er tötet die Lust eines Mannes auf die Frau, die es trinkt.«
Alys nickte. »Und was würdest du nehmen, um die Lust einer Frau zu dämpfen?« fragte sie beiläufig.
Morach drehte sich zu ihr, und ihr dunkles Gesicht unter der grauen Mähne funkelte vor Bosheit. »Die Lust einer Frau?« fragte sie. »Aber mein kleines Nönnchen, meine kostbare Jungfrau, wer ist denn dieses lüsterne Weib? Wir haben von dem jungen Lord gesprochen und wie ihn nach deiner geheiligten Jungfernschaft gelüstet.«
»Hör schon auf«, schmollte Alys. »Ich frage doch nur für eine der Frauen in der Galerie.«
Morach kicherte. »Ich müßte sie sehen«, sagte sie listig. »Diese Frau, ist sie jung oder alt? Hat sie schon einen Mann gehabt, oder ist sie Jungfrau? Sehnt sie sich nach seiner Liebe, seiner Treue — oder ist sie nur heiß auf seinen Körper, der sie unter sich und seine Feuchte in ihr begräbt?«
Alys errötete. »Ich weiß es nicht«, sagte sie grimmig. »Wenn sie mich noch einmal fragt, bringe ich sie zu dir.«
Morach nickte, und ihre Augen funkelten amüsiert. »Mach das, hübsche Alys«, sagte sie. »Bringe sie zu mir.«
Alys steckte das Büschel Kräuter in ihre Tasche. »Noch etwas?« fragte sie. »Was Hugos Begierde tötet? Muß ich noch irgend etwas machen?«
Morach schüttelte den Kopf. »Ich habe keine anderen Kräuter, aber du könntest mir das nächste Mal, wenn du kommst, etwas Kerzenwachs mitbringen, dann mache ich Abbilder von ihnen«, bot sie an. »Wir machen sie alle zu Puppen, die nach deiner Pfeife tanzen müssen.«
Alys' Augen weiteten sich vor Angst. »Das gibt's doch nicht!« rief sie.
Morach lächelte düster und nickte. »Ich habe es noch nie gemacht«, sagte sie. »Es ist ein schwerer Zauber, ein abgrundtiefer Zauber. Aber die alte Frau, die vor mir hier war, hat mir die Worte beigebracht. Es funktioniert immer, außer...«
»Außer was?« fragte Alys und zitterte, als wäre ihr mit einem Mal kalt. »Außer was?«
»Manchmal verstehen sie falsch.«
Alys rückte ein bißchen näher. »Was?« fragte sie. »Wer?«
Morach lächelte. »Du nimmst die kleinen Figuren und bindest sie in schwere Magie. Verstehst du das?«
Alys nickte mit bleichem Gesicht.
»Du befiehlst ihnen, dir gehorsam zu sein. Du befiehlst ihnen, deinen Befehlen zu gehorchen.«
Alys nickte wieder.
»Manchmal verstehen sie dich falsch«, sagte Morach leise. »Ich habe von einer Frau gehört, die ihrem Liebhaber befohlen hatte, aufzuerstehen.
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