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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Blick. Alys holte die kleine Börse mit Kupfermünzen aus ihrer Tasche und legte sie in Morachs Schoß. Morach stieß sie zu Boden. »Da ist nicht mehr«, sagte sie abweisend.
    »Dann rede mit mir«, sagte Alys. Einen Augenblick lang zitterte ihr blasses Gesicht, und sie sah wieder aus wie ein Kind. »Rede mit mir, Morach. Ich bin dort wie eine Gefangene. Jeder außer dem alten Lord ist mein Feind.«
    Morach nickte. »Wirst du fliehen?« fragte sie, nun doch etwas interessiert. »Wieder weglaufen?«
    »Jetzt habe ich ein Pferd«, sagte Alys, und die Idee beflügelte ihre Stimme. »Ich habe ein Pferd, und wenn ich Geld hätte...« Morachs nackter, schmutziger Fuß sicherte sofort die Börse, die sie zu Boden gestoßen hatte. »Es muß doch einen Orden geben, der mich aufnimmt«, sagte Alys. »Du mußt doch irgend etwas gehört haben, Morach!«
    Morach schüttelte den Kopf. »Ich habe gar nichts gehört, außer von den Schergen des Königs und Strafen und Beschwerden über Orden und Klöster, die bis zum König vorgedrungen sind«, sagte sie. »Deine alte Abtei ist nur noch eine leere Ruine — die Kirchenbänke sind weg, die Schindeln vom Dach, sogar Steine sind schon abgetragen und weggekarrt worden. Zuerst bedienten sich Lord Hugos Männer, und jetzt hat er die Dorfbewohner aufgefordert, sich zu bedienen. Nach allem, was ich höre, ist es im ganzen Land dasselbe. In Schottland sind sie wahrscheinlich der Prüfung durch den König entgangen, da könntest du es versuchen. Aber du wärst tot, bevor du die Grenze erreicht hast.«
    Alys nickte.
    »Die Stimmung der Zeit ist gegen dich«, erklärte Morach. »Die Leute waren wütend auf den Reichtum der Abteien, der Priester, der Mönche und Nonnen. Sie waren ihrer Habgier überdrüssig. Sie wollten neue Landeigner oder gar keine Landeigner. Du hast dir die falsche Zeit ausgesucht, um Nonne zu werden.«
    »Ich habe mir die falsche Zeit ausgesucht, um geboren zu werden«, sagte Alys verbittert. »Ich bin eine Frau, die schlecht in ihre Zeit paßt.«
    Morach lächelte düster. »Ich auch«, sagte sie. »Und viele andere ebenfalls. Mein Fehler war, daß ich zuviel erreicht habe. Meine Sünde war es, zu gewinnen. Also haben sie das Gesetz der Männer und die Macht der Männer gegen mich eingesetzt. Ich habe mich hinter der alten Macht versteckt, den alten Künsten, der Macht der Frauen.«
    Der Blick, mit dem sie Alys ansah, war teilnahmslos. »Dein Fehler war es, daß du dich nie still verhalten konntest«, sagte sie. »Du hättest bei mir leben können, wo deine einzige Angst der Hexenfänger gewesen wäre, aber du wolltest Tom, seine Farm und seine Felder. Und als du dann etwas Besseres gesehen hast, bist du dahin geflohen. Man fürchtete, daß Tom aus Kummer um dich sterben würde. Er hat mich angefleht, dich nach Hause zurückzubefehlen. Ich habe ihm ins Gesicht gelacht. Du hattest etwas Besseres gesehen. Ich habe gewußt, daß du nie freiwillig zurückkehren würdest. Du wärst für immer dort geblieben, nicht wahr?«
    Alys nickte. »Ich habe Mutter Hildebrande, die Äbtissin, geliebt«, sagte sie. »Und ich stand hoch in ihrer Gunst. Und sie hat mich geliebt wie ihre Tochter. Ich weiß es. Sie hat mir Lesen und Schreiben beigebracht und auch Latein. Sie hat sich besondere Mühe mit mir gegeben, und sie hatte große Pläne mit mir. Ich habe im Destillierraum gearbeitet und in der Ambulanz, und ich habe in der Bibliothek studiert. Ich mußte nie schwere oder schmutzige Arbeit machen. Ich war der Liebling von allen.« Sie warf Morach einen kurzen Blick zu. »Dort hatte ich alles«, sagte sie. »Die Liebe meiner Mutter, die echte, reine Liebe, die es gibt, Labsal und Heiligkeit.«
    »Das wirst du in England nicht noch einmal finden«, entgegnete Morach. » Oh, der König kann nicht ewig leben. Er schachert irgend etwas mit dem Papst aus. Möglich, daß seine Erben die Kirche wieder einsetzen. Aber englische Schwestern werden dich nie wieder aufnehmen.«
    »Sie wissen vielleicht nicht, daß ich weggerannt...«, begann Alys.
    Morach schüttelte den Kopf mit Nachdruck. »Sie werden es erraten«, sagte sie. »Du warst die einzige, die in dieser Nacht mit dem Leben davongekommen ist. Die übrigen sind im Schlaf verbrannt.«
    Alys schloß für einen Moment die Augen und roch den Rauch und sah das Flackern der hellen Flammen an der Wand ihrer Zelle. Wieder hörte sie den spitzen Schrei, als sie ihr Gewand hochraffte und weglief, ohne einen Gedanken an die anderen, ohne einen

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