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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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»Man stelle sich vor, wie hoch man aufsteigen kann!«
    Lady Catherine nickte, aber ihr Gesicht zeigte keinerlei Gemütsregung. Sie sah Alys an, und ihr Blick war eine Warnung. Alys beugte rasch den Kopf und nähte weiter. »Das sind Londoner Sitten«, erklärte Lady Catherine mit leiser, bedrohlicher Stimme. »Doch was für den König recht und billig ist, ist nicht immer der richtige Weg für seine Untertanen.«
    »Natürlich nicht!« sagte Margery verstört. »Außerdem, wenn Königin Anne einen Sohn gebiert, wird er sich ihr schnell wieder zuwenden! Kein König verstößt eine Frau, die ihm einen Sohn geschenkt hat! Nur unfruchtbare Frauen werden so behandelt!«
    Catherine wurde blaß vor Zorn.
    »Ich meine...«, stammelte Margery.
    »Die Ehe des Königs wurde annulliert, weil Katharina von Aragon die Frau seines Bruders war«, sagte Catherine in eisigem Ton. »Das war der einzige Grund für die Annullierung der Ehe, und ihr habt alle einen Treueeid geschworen, in dem ihr den rechtmäßigen Erben des Königs und die Rechtmäßigkeit seiner Ehe mit Königin Anne anerkennt.«
    Die Damen nickten mit gesenktem Blick.
    »Jedes Gerede über Scheidung aus einer Laune heraus ist Verrat«, sagte Catherine streng. »Die erste Ehe des Königs war ungültig und gegen Gottes Gesetz. Diese Sache ist unvergleichlich.«
    »Seid Ihr da sicher?« Diese gefährliche Frage wagte Elizabeth zu stellen.
    Catherines graue Augen fixierten sie unerbittlich. »Eure Stellung ist nicht vergleichbar mit der der Hofdamen der Königin«, zischte sie. »Keine von euch hat einen so hohen Rang, daß sie Scharlachrot tragen dürfte, gleichgültig, welche geborgten Kleider Alys trägt. Ich hoffe doch, keine von euch will die natürliche Ordnung, die gottgegebene Ordnung, stören. Oder hofft Alys etwa, Purpur zu tragen? Mit einem Lord verheiratet zu sein?«
    Die Damen lachten, ein nervöser, gehorsamer Chor.
    »Wem hat das Kleid gehört, Alys?« fragte Catherine boshaft.
    Alys räusperte sich und sagte leise: »Man hat mir gesagt, es hätte einer Frau namens Meg gehört.«
    »Und weißt du, wer sie war, Alys?« fragte Catherine.
    Alys hob den Kopf von ihrer Näharbeit. »Lord Hughs Hure«, sagte sie leise.
    Catherine nickte. »Ich glaube, ich würde lieber Braun tragen als mich mit geborgten Kleidern brüsten«, sagte sie. »Ich würde lieber ehrliches Braun tragen als das Gewand einer Hure, die an Syphilis gestorben ist.«
    Alys biß die Zähne zusammen. »Lord Hugh hat mir befohlen, das Kleid zu tragen. Ich habe kein anderes.« Sie sah Catherine kurz in die Augen. »Ich hoffe, es mißfällt Euch nicht, Mylady, ich wage nicht, mich Lord Hughs Befehl zu widersetzen.«
    Catherine nickte. »Also gut. Aber du tätest gut daran, mit dem Kleid nicht auch die Sitten der letzten Eigentümerin anzunehmen.«
    Alys begegnete Catherines mißtrauischem, hartem Blick. »Ich bin eine Jungfer«, sagte sie. »Keine Hure. Und so wird es auch bleiben.«
    Von da an gab sie sich noch mehr Mühe, sich von Orten fernzuhalten, an denen sie dem jungen Lord begegnen könnte. Wenn er in das Gemach seines Vaters kam, setzte sie sich in eine Ecke in den Schatten. Sie legte das kirschrote Kleid ab, das der alte Lord ihr gegeben hatte, und fragte ihn, ob sie sich ein neues aus der Truhe holen dürfte. Sie suchte sich ein dunkelblaues, fast schwarzes aus und trug es mit einem schwarzen Mieder, das sie flach wie ein Brett festzurrte. Es war ihr zu groß und reichte ihr bis unters Kinn, so daß es ihre zusammengepreßten Brüste verbarg. Sie kramte in der Truhe und fand eine altmodische Giebelhaube, die mit der ehemaligen Königin, der falschen Königin Katharina, aus der Mode gekommen war. Alys stopfte ihr wachsendes Haar unter die Haube und steckte es fest, so daß keine Strähne mehr entwich. Die Haube war schwerer und heißer als ihre Nonnentracht, da sie jetzt wieder Haare hatte, aber es erinnerte Alys für einen Augenblick an den steten Druck der Nonnenhaube und die Bandage ums Gesicht, die sie so lange getragen hatte.
    »Du siehst aus wie eine Nonne«, meinte der alte Lord. Und als er ihren verängstigten Blick sah, korrigierte er sich: »Nein, Mädel, du brauchst keine Angst zu haben. Du siehst aus wie eine Frau, die versucht, sich unsichtbar zu machen. Vor wem versteckst du dich, Alys? Vor Lady Catherine? Vor Hugo?«
    »Das andere Gewand war schmutzig«, sagte Alys ruhig. »Ich habe es zum Waschen gegeben. Und es ist an der Zeit, daß ich eine Haube trage.«
    Lord Hugh hob

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