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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Stuhl und hielt ihr einen Becher heißen Met an die Lippen.
    Alys drehte sich weg. Die Flüssigkeit war kochend heiß. Aber er hielt sie wieder fest und zwang sie zu trinken. Der Met strömte wie flüssiges Feuer durch ihren wunden Hals.
    »He, kenn ich dich nicht?« fragte der Mann.
    Alys blinzelte ihn an. Ihre Zähne klapperten so stark, und sie zitterte so heftig, daß sie ihn gar nicht richtig sehen konnte.
    »Pater Stephen«, sagte sie. Jetzt hatte sie den Priester erkannt. »Ich bin's, Alys. Lady Catherines Hofdame. Lord Hughs Sekretär.«
    »Mehr Met«, befahl der Priester. Er reichte ihr den Becher, und Alys ergriff ihn mit beiden Händen. Schüttelfrost packte immer wieder ihren ganzen Körper.
    »Trink das«, sagte er. »Ich bestehe darauf. Das wird die Kälte vertreiben. Du siehst schon besser aus.«
    Alys nickte. »Ich bin froh, daß Ihr da wart«, sagte sie.
    Er runzelte die Stirn. »Warum hast du das getan?« fragte er vorsichtig. »Das ist ein schmerzvoller Tod, ein grausamer Tod. Und am Ende wartet die Hölle, ganz sicher.«
    Alys wollte es fast abstreiten, aber dann besann sie sich.
    »Ich hatte Angst«, erfand sie hastig. »Nach dem Gottesurteil ... Lady Catherine mißtraut mir... Ich fürchte mich vor weiteren Prüfungen. Sie kann mir alles in die Schuhe schieben. Ich konnte nachts nicht schlafen, und dann hatte ich Alpträume. Ich wußte mir nicht mehr zu helfen.«
    Ihre Zähne klapperten, als wollten sie sie Lügen strafen. Alys biß in den Becher und nippte dann die heiße Flüssigkeit.
    Pater Stephen war entsetzt. »Das alles ist meine Schuld! Ich hatte keine Ahnung, daß die Rachegelüste von Mylady gegen dich so unstillbar sind. Ich hätte doch nie ein Gottesurteil zur Befriedigung irdischer Bosheit zugelassen! Es ist Sünde, das Gottesurteil für Rache zu benutzen. Ich hätte es wissen müssen! Und ich habe dich zur Verzweiflung getrieben!« Er verstummte und machte zwei hastige Schritte durch den Raum.
    Alys beobachtete ihn, versuchte, seine Stimmung einzuschätzen und wie groß die Gefahr für sie war.
    »Du mußt beichten«, sagte er. »Beichten und darum beten, daß dir die Sünde des Selbstmordversuchs vergeben wird. Es ist eine Sünde. Gott hat es ausdrücklich verboten. Du mußt gegen deine Verzweiflung und deine Angst ankämpfen. Und ich werde dich auch bitten, mir zu vergeben. Ich war zu streng. Ich habe zu eifrig nach Missetaten gesucht. Es ist eine Sünde.« Er überlegte kurz. »Es ist Eitelkeit«, sagte er. »Ich war stolz auf meine Erfolge bei der Jagd nach Hexen und Ketzern. Viele sind vor mir gestanden, und nur wenige sind ihrem gerechten Schicksal entronnen. Aber ich muß mich vor Stolz hüten.«
    »Ich bin unschuldig«, sagte Alys schnell. »Ich hatte Angst, Catherine würde mich zu einem weiteren Gottesurteil zwingen. Und davor, daß Ihr sie unterstützen und mich verhören würdet.
    Und davor, daß irgendein Fehler — ein unschuldiger Fehler - meinen Tod bedeuten würde.«
    Er nickte betroffen. »Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte er. »Ich bin glücklich, die Geißel der Bösen zu sein. Du mußt mir vergeben. Ich werde nie wieder ein Gottesurteil von dir verlangen. Du kannst mein Wort darauf haben. Ich werde dich vor Bosheit beschützen. Du hast deine Unschuld bewiesen, einmal mit dem Gottesurteil der Hostie und einmal im Graben. Denn eine Hexe wäre nicht untergegangen, und du warst ohne Zweifel am Ertrinken, als ich dich herausgezogen habe.«
    Alys nickte und wickelte den Mantel etwas fester um sich. Pater Stephen sah es und reichte ihr noch einen Becher Met. »Trink«, sagte er. »Und dann mußt du auf dein Zimmer gehn und dich warm und trocken halten. Ich werde dich nie mehr auf die Probe stellen, und keiner wird dich je wieder prüfen, solange ich in der Nähe bin.«
    Alys nickte wieder und versteckte ihr befriedigtes Lächeln hinter dem Becher.
    »Wird Lady Catherine wach sein? Wird sie dich mit Fragen quälen, wenn du in dein Zimmer gehst?«
    Alys warf einen Blick auf das schmale Fenster des Wachraums. Der Wintermorgen färbte es grau. »Vielleicht«, sagte sie. »Sie mißtraut all ihren Damen. Ich habe mehr Freiheit als die anderen, weil ich dem alten Lord diene. Aber sie beobachtet uns genau, und sie fürchtet uns alle.«
    Pater Stephen nickte. »Sie hat Grund, ängstlich zu sein. Hugo ist nicht immer nett zu ihr, und der alte Lord ist ihre Klagen leid. Er hat mich gebeten, meinen Bischof zu fragen, welche Möglichkeit es gibt, die Ehe zu

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