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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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Da spielen zwei besondere Eigenheiten von LTCM eine Rolle. Erstens griff LTCM in einem enormen Ausmaß auf Kredite zum Ankauf von Aktien zurück, was bedeutet: Es ging Risiken hauptsächlich mit geliehenem Geld ein. Zwar wies LTCM 1998 ein Eigenkapital von fünf Milliarden Dollar aus, doch hatte es von Banken und Wertpapiergesellschaften mehr als 125 Milliarden Dollar geliehen. Um es an einem konkreten Beispiel zu illustrieren: Wenn LCTM 100 Millionen Dollar in dänische Hypotheken-Pfandbriefe investieren wollte, setzte es aus Eigenmitteln vielleicht nur fünf Millionen Dollar ein. Für den Rest bürgten Banken.
    Solange alles gut geht, lässt sich mit solcher Kreditfinanzierung eine satte Rendite auf die eigene Investitionssumme verdienen. Wenn beispielsweise der Wert der erwähnten dänischen Hypotheken-Pfandbriefe um zehn Prozent stieg, würde LTCM zehn Millionen Dollar Reibach machen – das heißt, es hätte das eigene Kapital (also nur die fünf Millionen) verdoppelt. Wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, kann solch eine Finanzierungsmethode freilich ein Riesenproblem und sogar das Ende bedeuten. LTCM hatte immer wieder betont, dass es keine sonderlichen Wagnisse einging: Es investiere nicht in Märkte, auf denen die Preise von Tag zu Tag heftig schwankten. Folglich, so LTCM, war der Ankauf von Aktien mit Kreditmitteln auch nicht sonderlich riskant. Und so oder so – mit diesem Vertrauen auf geliehenes Geld gewann der Hedgefonds ein wesentlich größeres Gewicht; er kontrollierte ja sehr viel mehr Kapital. Im Vergleich zur Größe der globalen Finanzmärkte sind fünf Milliarden Dollar eine Kleinigkeit; dank der Art und Weise, wie LTCM sein Eigenkapital nutzte, wurde dieser Hedgefonds jedoch zu einem Hauptakteur.
    Die zweite wichtige Eigenheit von LTCM: Der Fonds investierte in illiquide Märkte, das heißt in Märkte, in denen es nicht viele Käufer und Verkäufer gab. Die Finanzkanonen von LTCM nahmen (zu Recht) an, dass auf großen, tiefen Märkten – wie dem amerikanischen Aktienmarkt, auf dem große Scharen unentwegt versuchten, irgendwelche kleine Schritte vorwärts zu tun – schwer Geld zu machen sei. Darum bevorzugten sie kleinere Märkte und ausgefallenere Vermögenswerte wie dänische Hypotheken-Pfandbriefe. Dabei wandten sie mehrere Strategien an. Ihr Grundkonzept war jedoch relativ einfach. Sie hielten Ausschau nach zwei Vermögenswerten, deren Preise sich historisch im Einklang bewegten, und warteten ab, bis diese Werte sich, aus welchen Gründen auch immer, vorübergehend voneinander wegbewegten, also einer der beiden Vermögenswerte teurer wurde. Und dann kaufte LTCM den billigeren Vermögenswert, während es den teuren im Terminoptionsgeschäft verkaufte. Sobald die beiden Werte wieder konvergierten, stieg LTCM aus. Jeder Handel war ein kleiner Treffer. Das Ganze war wie ein »Staubsaugen von Nickelmünzen«, wie sich einer der Gründer von LTCM auszudrücken beliebte. Da der Hedgefonds aber ein riesiges Fremdkapital einsetzte, war er freilich ein sehr großer Staubsauger.
    In der Theorie war das völlig in Ordnung. Nur waren damit ein paar heikle Voraussetzungen verbunden. Zum einen ging LTCM davon aus, dass die Preise binnen eines akzeptablen Zeitraums zu ihrem echten Wert zurückkehrten und nie allzu stark schwankten. Zum anderen konnte LTCM auf den von ihm bevorzugten kleinen Märkten und angesichts seiner ungewöhnlichen Handelsstrategien meist nur mit sehr wenigen Partnern geschäftliche Beziehungen aufnehmen. Wer Cisco-Aktien erwerben will, wird zahlreiche Personen finden, die diese Wertpapiere zu einem vernünftigen Preis verkaufen. Will man aber, wie LTCM, mit Kurswertschwankungen handeln, so stehen einem in der ganzen Welt nur einige wenige Unternehmen für derartige Geschäfte zur Verfügung – mit anderen Worten: Dann gibt es auf unserem Globus lediglich einen äußerst kleinen Kreis von Personen , mit denen man Handel treiben kann und die sich außerdem alle untereinander persönlich kennen.
    Es steht völlig außer Frage, dass die Personen dieses exklusiven Zirkels blitzgescheit waren. Nur – es waren ihrer sehr wenige, und sie dachten in entscheidenden Punkten, etwa Risiko und Vergütung betreffend, sehr ähnlich. Ab Mitte der neunziger Jahre, als im Zuge der enormen Erfolge während der Anfangsjahre andere Firmen LTCM nachzueifern begannen, nahm die gleichartige Denkweise in den entsprechenden Kreisen noch zu – mit der Folge, dass niemand aufstand und seine Chance sah, als

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