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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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Gruppe von Leuten, vielleicht gar Einzelpersonen, die das Sagen haben. Man darf diese beiden Konzepte von Zentralisierung aber nicht verwechseln. Es ist möglich und wünschenswert, kollektive Entscheidungen durch dezentrale Akteure herbeizuführen.
    Es ist wichtig zu verstehen, wann Dezentralisierung ein Rezept für kollektive Weisheit darstellt; denn in den letzten Jahren hat sich »Dezentralisierung« zu einem Fetischbegriff entwickelt, sodass der Eindruck entstehen konnte, Dezentralisierung sei ein Allheilmittel für jegliches Problem. Natürlich bin ich, der These dieses Buches gemäß, der Ansicht, dass dezentrale Methoden des Zusammenführens menschlicher Bemühungen mit einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit verbunden sind. Man muss jedoch auch wissen, dass Dezentralisierung unter gewissen Bedingungen gut, unter anderen Umständen weniger gut funktioniert. Es ist im vergangenen Jahrzehnt Mode geworden zu meinen, bei dezentraler Arbeitsweise müsse ein System gut funktionieren. Es bedarf jedoch nur eines Blickes auf einen Verkehrsstau – oder eben auf das Geheimdienstwesen der Vereinigten Staaten -, um zu erkennen, dass die Beseitigung einer zentralen Dienststelle für sich allein noch kein Patentrezept ist. Im Übrigen stellen sich viele Leute unter Dezentralisierung gern eine irgendwie von Natur gegebene , quasi-automatische Sache vor – möglicherweise deshalb, weil so viele Beispiele und Bilder dezentraler Systeme aus der Biologie stammen. Ameisen müssen gar nichts Besonderes tun, um Kolonien zu bilden. Sie sind dazu genetisch programmiert. Für Menschen gilt das jedoch nicht. Eine genuine, erfolgreiche Dezentralisierung ist schwer zu bewerkstelligen, ebenso schwer in Gang zu halten und mündet leicht in Desorganisation.
    Ein anschauliches Beispiel dafür bietet die irakische Armee im Irak-Krieg von 2003. In den ersten Kriegstagen waren die amerikanischen und britischen Truppen vom harten Widerstand der paramilitärischen irakischen Fedajin überrascht. Diese Fedajin wurden als exemplarische, erfolgreich dezentral operierende Gruppe gedeutet, die ohne Oberkommando vorzugehen verstand. Ein Zeitungskommentator verglich die Freischärler sogar mit den Ameisen einer Ameisenkolonie, weil sie ihre Aufgaben nur in unmittelbarem Kontakt mit den nächsten Kameraden lösten. Die Annahme, dass die Freischärler einen organisierten, sinnvollen Widerstand leisteten, erwies sich allerdings nach nur wenigen Tagen als irrig. Da wurde vielmehr deutlich, dass es sich bei ihren Aktionen um wenig mehr als zufällige, unkoordinierte Angriffe handelte, die in keinerlei Zusammenhang standen mit militärischen Entwicklungen in anderen Landesteilen. Es war, wie ein britischer Kommandeur bemerkte, alles bloß Taktik und keine Strategie. Anders formuliert: Die einzelnen Aktionen der Freischärler summierten sich nie zu größeren, weil ihnen ein Instrument fehlte, um ihre örtlichen Weisheiten zusammenzuführen. In mancher Hinsicht verhielten die Freischärler sich wie Ameisen – sie folgten örtlichen Regeln. Doch während Ameisen, die lokalen Regeln folgen, letztendlich dem Wohlergehen ihrer gesamten Kolonie dienen, waren die Soldaten am Ende bloß tot. (Es ist allerdings möglich, dass das Fehlen von Bündelung nach Beendigung des eigentlichen Krieges – als der Konflikt dann in Zusammenstöße zwischen amerikanischer Besatzungsarmee und Guerilleros mit typischen Terrortaktiken überging – an Bedeutung verlor. Nun bestand das Ziel ja nicht mehr darin, die Vereinigten Staaten im Felde zu schlagen, sondern ihnen nur möglichst großen Schaden zuzufügen, damit ihr Verbleiben im Lande als nicht lohnenswert erschiene. In solchem Kontext können rein taktische Manöver genügen.)
    Die Ironie dieser Geschichte: Die wirklich dezentralisierte Armee dieses Krieges war die amerikanische. US-Truppen haben an der Front seit jeher ein vergleichsweise hohes Maß an Eigeninitiative entfalten können und müssen, da das amerikanische Militär prinzipiell der Theorie folgt: »Lokales Wissen ist gut.« Zudem wurde das US-Heer in der jüngsten Zeit radikal neuen Strukturen unterworfen, sodass Ortskommandeure heute einen noch beträchtlich größeren Freiraum zu selbstständigem Vorgehen haben, und die neuen, hochmodernen Kommunikationssysteme machen es möglich, dass Gesamtstrategien – bei denen es sich gewissermaßen um Kollektiventscheidungen handelt – aus Taktiken vor Ort entstehen können. Die Oberbefehlshaber sind nicht mehr von

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