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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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sind für alle bestimmt; von ihrer Nutzung kann niemand ausgeschlossen werden. Falls je ein amerikanisches Raketenschutzprogramm zustande kommen sollte, wird es unser Heim beschützen, auch wenn wir keine Steuern gezahlt haben sollten. Nachdem in den USA die Fernstraße I-19 fertiggestellt worden war, konnte sie von allen befahren werden. Und selbst wenn jemand irgendwelche Regierungsausgaben aus besonderem Eigeninteresse gutheißen sollte, kann er für sich selbst nicht auf einen persönlichen Nutzungsanteil pochen. Weil den Leuten solche Leistungen zur Verfügung stehen, ohne dass sie dafür persönlich aufzukommen haben, erscheint es vernünftig, dass sie auch umsonst genutzt werden. Falls aber die meisten Bürger sie beanspruchen würden, ohne zu deren Unterhaltung beizutragen, das heißt ohne Steuern zu zahlen, würden sie verschwinden. Womit wir wieder bei dem von Mancur Olson skizzierten Problem angelangt wären.
    Mag sein, dass wir das Steuerzahlen gemeinhin nicht als ein Kooperationsproblem verstehen – was es im Wesentlichen jedoch ist. Von der Mitgliedschaft in einem Interessenverband unterscheidet sich das Zahlen von Steuern selbstverständlich in einem entscheidenden Punkt: Wer keine Steuern zahlt, macht sich strafbar. Nur läuft er seit jeher wenig Gefahr, dabei ertappt zu werden. So vermochte der Internal Revenue Service im Jahr 2001 beispielsweise lediglich ein halbes Prozent aller Steuererklärungen zu überprüfen. Aus rein ökonomischer Sicht könnte Steuerbetrug sogar rational und vernünftig erscheinen. Und das bedeutet: Für das Funktionieren eines Steuersystems bedarf es mehr als nur des Gesetzes. Es kommt letzten Endes darauf an, dass die Bürger ihre Steuern (wie immer zähneknirschend) aus freien Stücken entrichten. Für den Einzelnen ist es eine kostspielige Sache, dem Fiskus den Obolus zu zollen, kollektiv jedoch nützlich und positiv. Allerdings kommen die gemeinnützigen Resultate nur zustande, wenn jeder mitmacht.
    Und warum machen die Bürger mit? Anders gefragt: Weshalb kommen die Bürger in Ländern mit relativ hohen Steuersätzen wie den USA überhaupt ihren Verpflichtungen nach? Die Antwort auf diese Frage hat mit dem Prinzip zu tun, das wir bereits in der Geschichte von Richard Grasso am Werk sahen: dem Prinzip der Wechselseitigkeit. Die meisten Bürger werden partizipieren, solange sie überzeugt sind, dass auch alle anderen Bürger partizipieren. Hinsichtlich der Steuern verhält die Mehrheit der Amerikaner sich also als »bedingt zustimmend« (Margaret Levi). Sie sind bereit, ihre Steuern zu zahlen, allerdings nur so lange, wie sie überzeugt sind, dass ihre Mitbürger es ebenfalls so halten und sie glauben können, dass Steuerhinterzieher auffliegen und dafür bestraft werden. »Wenn man auf den Gedanken kommt, dass die Polizei schläft und andere Gesetzesbrecher ungestraft davonkommen, beginnt man anzunehmen, dass man selbst übervorteilt wird«, schreibt Professor Michael Graetz, der Jura an der Yale University lehrt. Die Bürger möchten sich einerseits rechtens verhalten, andererseits aber auch nicht als naive Trottel dastehen.
    Lassen Sie uns dazu aufschlussreiche Gemeinwohl-Experimente mit vierköpfigen Gruppen heranziehen, welche die Ökonomen Ernst Fehr und Simon Gächter durchgeführt haben. Jeder Teilnehmer bekommt vier Marken; das Spiel läuft über vier Runden; in jeder Runde kann ein Spieler seine Marken entweder in den öffentlichen Topf geben oder für sich behalten. Die Investition einer Marke in den gemeinsamen Topf kostet den Spieler etwas; er selbst erhält dafür lediglich den Wert von 0,4 Marken, der dann freilich auch den übrigen Gruppenmitgliedern zuerkannt wird, sodass die Gruppe für jede individuell investierte Marke insgesamt 1,6 Marken bekommt. Der Witz des Experiments ist folgender: Behalten alle Mitglieder der Gruppe ihr Kapital für sich, so heimst am Ende jeder 20 Marken ein. Investiert jedes Gruppenmitglied sein ganzes Kapital, so werden zum Schluss alle vier mit 32 Marken belohnt. Die Geschichte hat selbstverständlich einen Haken: Es scheint die individuell klügste Strategie zu sein, selbst überhaupt nichts ins Gemeinwohl zu investieren und umsonst an den Investitionen der anderen teilzuhaben – wenn aber niemand investiert, bleibt der Gemeinschaftstopf leer.
    Wie das Ultimatum-Spiel wird auch dieses Gemeinwohl-Spiel in allen Ländern der entwickelten Welt gespielt. Dabei verhalten die meisten Teilnehmer sich zunächst nicht egoistisch,

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