Die Weisheit des Feuers
bemerkenswerter Mann. Ohne ihn gäbe es die Varden nicht. Nichts wäre passender, als dass du sein Werk fortführst.«
Dann fragte Arya: »Eragon, dürfen wir Glaedrs Eldunarí sehen?«
Eragon zögerte, dann ging er nach draußen und holte den Beutel aus Saphiras Satteltasche. Sorgsam darauf bedacht, den Eldunarí nicht zu berühren, knotete er den Beutel auf und ließ den Stoff an dem goldenen Stein hinabgleiten. Anders als beim letzten Mal war Glaedrs Seelenhort nur von einem fahlen, matten Schimmern erfüllt, so als wäre der Drache kaum noch bei Bewusstsein.
Nasuada beugte sich vor und blickte ins flimmernde Zentrum des Steins. In ihren Augen tanzten funkelnde Lichtreflexe. »Und Glaedr ist wirklich da drin?«
Ja,
sagte Saphira.
»Kann ich mit ihm sprechen?«
»Du kannst es versuchen, aber ich bezweifle, dass er reagieren wird. Er hat gerade seinen Reiter verloren. Vielleicht erholt er sich nie mehr von diesem Schock, auf jeden Fall wird es viel Zeit brauchen. Lass ihn bitte in Ruhe, Nasuada. Wenn er mit dir sprechen wollte, hätte er es bereits getan.«
»Natürlich. Es war nicht meine Absicht, ihn in seiner Trauer zu stören. Ich werde so lange warten, bis er sich gefasst hat.«
Arya rückte näher an Eragon heran und hielt die Hände dicht an den Eldunarí. Sie betrachtete den Stein ehrfürchtig und schien sich in seinen Tiefen zu verlieren. Dann flüsterte sie etwas in der alten Sprache. Glaedrs Bewusstsein reagierte mit einem schwachen Aufflackern.
Sie ließ die Hände sinken und sagte: »Eragon, Saphira, euch wurde die Verantwortung für ein anderes Leben übertragen. Das ist eine schwere Bürde. Was auch geschieht, ihr müsst Glaedr beschützen. Jetzt, wo Oromis nicht mehr da ist, brauchen wir seine Kraft und Weisheit mehr als je zuvor.«
Mach dir keine Sorgen, Arya, wir werden ihn vor allem Unheil bewahren,
versprach Saphira.
Eragon zog den Stoff wieder über den Seelenstein und versuchte sich an einem Knoten, aber die Erschöpfung machte ihn unbeholfen. Die Varden hatten einen wichtigen Sieg errungen und die Elfen hatten Gil’ead eingenommen, doch er konnte sich darüber nicht so recht freuen. Er sah Nasuada an und fragte: »Und jetzt?«
Nasuada reckte das Kinn. »Jetzt«, erklärte sie, »marschieren wir Richtung Norden nach Belatona, und wenn wir es eingenommen haben, ziehen wir weiter und erobern Dras-Leona. Von dort geht es nach Urû’baen, um Galbatorix zu stürzen oder zu sterben. Das machen wir jetzt, Eragon.«
Nachdem sie sich von Nasuada und Arya getrennt hatten, beschlossen Eragon und Saphira, nicht in Feinster zu bleiben, sondern ins Lager der Varden zu gehen, wo sie sich abseits vom Lärm der Stadt ausruhen konnten. Umgeben von Eragons Elfengarde, machten sie sich auf den Weg zum Haupttor Feinsters. Eragon hielt noch immer Glaedrs Seelenstein im Arm und keiner von beiden sagte ein Wort.
Eragon starrte auf den Boden vor seinen Füßen. Er achtete nicht auf die Männer, die an ihnen vorbeikamen. Seine Rolle in dieser Schlacht war zu Ende und er wollte sich nur noch hinlegen und das Leid dieses Tages vergessen. Die letzten Empfindungen, die er von Glaedr empfangen hatte, hallten noch immer durch seinen Geist:
Er war allein. Allein in der Finsternis... Allein!
Ihm stockte der Atem, als eine Welle der Übelkeit in ihm aufstieg.
So fühlt es sich also an, seinen Reiter oder seinen Drachen zu verlieren. Kein Wunder, dass Galbatorix darüber wahnsinnig geworden war.
Wir sind die Letzten,
sagte Saphira.
Eragon runzelte die Stirn, denn er verstand nicht, was sie meinte.
Der letzte freie Drache und sein Drachenreiter,
erklärte sie.
Außer uns ist keiner mehr übrig. Wir sind...
Allein.
Ja.
Eragon stolperte über einen losen Pflasterstein. Vom Elend überwältigt, schloss er für einen Moment die Augen.
Allein schaffen wir das nicht,
dachte er.
Wir schaffen es nicht! Wir sind noch nicht so weit.
Saphira pflichtete ihm bei und ihre Trauer und Angst, zusammen mit seiner eigenen, waren beinahe zu viel für ihn.
Bei den Stadttoren angekommen, blieb Eragon stehen, denn er schreckte davor zurück, sich durch die Menschenmenge zu schieben, die sich dort drängte, in dem Versuch, aus Feinster zu fliehen. Er hielt nach einem anderen Weg Ausschau, und als sein Blick über die äußere Stadtmauer glitt, packte ihn ein plötzliches Verlangen, die Stadt bei Tageslicht zu sehen.
Er ließ Saphira stehen und lief eine Treppe hinauf, die auf die Mauer führte. Saphira
Weitere Kostenlose Bücher