Die Weiße Burg
ihre Röcke dabei, als würde sie nicht richtig zuhören. »Wenn der Bund in einer bestimmten Weise verändert werden kann«, sagte sie, sobald Egwene geendet hatte, »dann sollte es möglich sein, ihn auch anderweitig zu ändern. Möglicherweise kann man dafür sorgen, dass man die Gefühle des anderen nicht länger wahrnimmt, dass sich beide einander nicht mehr bewusst sind. Dann würde der Wahnsinn vielleicht kein Problem mehr darstellen. Es wäre eine andere Art von Bund, nicht so wie der Behüterbund. Ich bin sicher, jedermann würde zustimmen, dass es gar nicht so wäre, als hätte man einen Behüter. Jede Schwester könnte mit so vielen Asha'man wie nötig den Bund eingehen.«
Plötzlich wurde sich Egwene bewusst, was hier gerade geschah. Lelaine saß scheinbar unbeteiligt da und schaute in ihre Teetasse, aber sie studierte Egwene durch die Wimpern. Und benutzte Maigan als Köder. Egwene unterdrückte ihren Zorn und musste ihre Stimme nicht kalt klingen lassen. Sie war zu Eis erstarrt.
»Das klingt exakt wie der Zwang, Lelaine. Es ist Zwang, und keine Wortklauberei wird es zu etwas anderem machen. Das werde ich jedem klarmachen, der das vorschlägt. Und ich werde für jeden, der mehr tut, als es nur vorzuschlagen, die Prügelstrafe anordnen. Der Zwang ist verboten, und er wird auch verboten bleiben.«
»Wie Ihr befiehlt«, erwiderte Lelaine, was alles bedeuten konnte. Was nun folgte, war da schon genauer. »Gelegentlich macht die Weiße Burg Fehler. Man kann nicht leben, ohne Fehler zu machen. Aber wir leben, und wir machen weiter. Und wenn wir unsere Fehler auch manchmal verbergen müssen, wenn möglich korrigieren wir sie. Selbst wenn es schmerzhaft ist.« Sie stellte ihre Tasse zurück aufs Tablett und ging zusammen mit Maigan. Maigan umarmte die Quelle, bevor sie das Zelt verließ. Lelaine tat es nicht.
Eine Zeit lang konzentrierte sich Egwene darauf, ihre Atmung ruhig zu halten. Sie führte den von den Ufern gehaltenen Fluss durch. Lelaine hatte nicht direkt gesagt, dass Egwene al'Vere als Amyrlin ein Fehler war, der korrigiert werden musste, aber sie war nahe dran gewesen.
Mittags brachte Chesa Egwenes Essen auf einem weiteren Tablett, warmes knuspriges Brot mit nur einem oder zwei verdächtigen dunklen Flecken und Eintopf aus zähen Streckrüben und hölzernen Möhren mit Stücken von etwas, das möglicherweise Ziege war. Egwene bekam nur einen Löffel davon herunter. Es lag nicht daran, dass Lelaine ihr Sorgen machte. Lelaine hatte sie schon zuvor bedroht, wenn auch nicht mehr, seit sie klargemacht hatte, dass sie die Amyrlin war und keine Marionette. Statt zu essen, starrte sie Tianas Bericht an, der auf dem Tisch lag. Möglicherweise hätte Nicola die Stola trotz ihres Potenzials nicht errungen, aber die Burg hatte eine lange Erfahrung darin, sture, fehlerbehaftete Frauen in selbstbewusste Aes Sedai zu verwandeln. Larine hatte eine glänzende Zukunft vor sich, aber sie musste lernen, die Regeln zu befolgen, bevor sie dann lernen konnte, welche davon gebrochen werden konnten und unter welchen Umständen. Die Weiße Burg war gut darin, beides zu lehren, aber zuerst kam immer der Gehorsam. Bodes Zukunft war viel versprechend. Ihr Potenzial reichte beinahe an das von Egwene heran. Aber ob Aes Sedai, Aufgenommene oder Novizin, die Burg verlangte von einem, das zu tun, was für die Burg wichtig war. Aes Sedai, Aufgenommene, Novizin oder Amyrlin.
Chesa zeigte sich sichtlich enttäuscht, als sie zurückkehrte und den Eintopf so gut wie unberührt vorfand, vor allem, da sie ein fast unberührtes Frühstück vorgefunden hatte. Egwene zog in Betracht, Magenschmerzen vorzugeben, verwarf es dann aber. Nachdem Chesas Tee ihr bei den Kopfschmerzen geholfen hatte - zumindest ein paar Tage lang, bis sie schlimmer als je zuvor zurückgekehrt waren und das jede Nacht -, hatte sich herausgestellt, dass die pummelige Frau eine Sammlung von Heilkräutern für jegliche Beschwerden hatte, die sie jedem Marketender mit geschicktem Mundwerk abkaufte und von denen jede widerlicher schmeckte als die vorherige. Sie hatte so eine Art, so betrübt auszusehen, wenn man die furchtbaren Mixturen nicht trank, dass man sie doch tatsächlich schluckte, nur damit sie sich keine Sorgen machte. Manchmal halfen sie sogar überraschenderweise, aber sie waren niemals etwas, das Egwene herunterschlucken wollte. Sie schickte Chesa mit dem Tablett fort und versprach, später etwas zu essen. Zweifellos würde Chesa ein Abendessen
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