Die weiße Frau von Devils Rock
er Arzt und hätte all das tun können, was Marvin getan hatte.
Doch Ashton war noch immer nicht wieder gekommen, und sie hatte auch keine Ahnung, wo er steckte und weshalb er überhaupt heimlich aus dem Haus geschlichen war.
So einsam und verlassen hatte sich Charlene noch nie in ihrem Leben gefühlt. Doch das wollte sie Christina nicht zeigen. Glücklich streichelte sie über die Wange ihrer Tochter und stellte unendlich erleichtert fest, dass sie angenehm kühl war. Das Fieber war endlich verschwunden.
"Wir haben es geschafft." Marvin seufzte hörbar. In seiner Stimme lag Freude und Erleichterung. "Christina ist ein starkes Mädchen", fügte er hinzu.
Charlene nickte nur, antworten konnte sie nicht. In ihrer Kehle steckte ein Schluchzen, das sie kaum mehr unterdrücken konnte. Plötzlich legte sie die Hände über das Gesicht und begann zu weinen.
Marvin hatte mit etwas Ähnlichem gerechnet. Er legte einen Arm um ihre Schultern und hielt sie fest. "Es ist vorbei", flüsterte er ihr zu. "Es ist vorbei. Christina hat es geschafft."
"Ashton…" Sie konnte nicht weiterreden.
"Wo ist Ashton?" Endlich wagte er, diese Frage zu stellen, die ihm schon die ganze Zeit auf der Seele gebrannt hatte. "Willst du ihm nicht sagen, was passiert ist?"
"Ich weiß nicht, wo Ashton steckt", antwortete Charlene stockend. "Er hat sich irgendwann in der Nacht einfach davongeschlichen. Ich hab keine Ahnung…" Wieder schluchzte sie verhalten, um Christina nicht zu wecken, die gerade wieder eingeschlafen war.
"Macht er das öfter?"
"Seit wir hier sind ist es fast schon Normalität", antwortete die Frau und wischte sich das Gesicht ab. "Entschuldige bitte, ich weiß nicht, was auf einmal mit mir los ist. Manchmal denke ich, ich werde wahnsinnig, wenn wir noch länger hier bleiben. Es ist alles ganz anders als zuhause."
"Rede mit mir, Charlene", bat der Arzt. "Du weißt mehr, als du mir sagst. Ich möchte dir helfen, denn ich habe dich sehr gern. Was ist los? Was ist mit Ashton passiert? Er hat sich sehr verändert, obwohl er auch schon während unseres Studiums nicht so ganz in unsere Gemeinschaft gepasst hat."
"Ich weiß es nicht", murmelte Charlene und starrte blicklos vor sich hin. "Er redet manchmal so komisch, nennt mich Serena und denkt, ich würde ihn verachten, weil er trinkt. Dabei hat Ashton noch nie Alkohol angerührt. Aber das hab ich dir doch schon alles erzählt."
"Soll ich mit ihm reden? Vielleicht sagt er mir, was mit ihm los ist", schlug der Arzt vor.
Traurig schüttelte Charlene den Kopf. "Das wird nicht viel Sinn haben", flüsterte sie ihm zu. "Wenn er sich in diesem seltsamen Zustand befindet ist er nicht ansprechbar. Sein Blick verliert sich irgendwo und er schaut durch mich hindurch, wenn ich mit ihm rede." Sie warf ihrer Tochter einen forschenden Blick zu, doch Christina rührte sich nicht. Sie atmete gleichmäßig und schlief ruhig vor Erschöpfung.
"Ich würde dir so gern helfen." Marvins Stimme klang traurig. Sanft zog er sie ein wenig an sich, um ihr zu vermitteln, dass sie sich an ihn lehnen konnte. "Ich merkte es ziemlich rasch, dass in eurer Ehe etwas nicht stimmt. Und da ich deinen Mann einigermaßen gut kenne konnte ich mir vorstellen, dass es zum großen Teil an ihm lag."
"Ich will ihm ganz gewiss nicht die Schuld daran geben", versicherte Charlene sofort. "Nur weiß ich nicht, was ich anders machen sollte. Er weist mich zurück, ist manchmal sehr grob, und wir können nicht mehr miteinander reden, geschweige denn, miteinander zärtlich sein. Er kann meine Nähe nicht mehr ertragen. Zumindest hab ich diesen Eindruck."
Es kostete die Frau eine sehr große Überwindung, über ihre Probleme zu sprechen. Das hatte sie noch nie zuvor getan, aber so verzweifelt wie in den letzten Tagen war sie auch noch nie zuvor gewesen.
Marvin merkte das, und er betrachtete es als besonderen Vertrauensbeweis, dass sie es tat. Ein warmes Gefühl strömte zu seinem Herzen, eine Vertrautheit und Zuneigung, die er noch nie zuvor in dieser Intensität empfunden hatte. Am liebsten hätte er Charlene für immer im Arm gehalten und ihr versichert, dass sie jetzt keine Angst mehr zu haben brauchte, denn er, Marvin, war ja da.
Doch das durfte er natürlich nicht, denn Charlene war die Frau seines Freundes, sie gehörte zu Ashton. Daran gab es nichts zu rütteln. Bei dieser Erkenntnis empfand er plötzlich Wut, einfach nur Wut. Da hatte
Weitere Kostenlose Bücher