Die weiße Frau von Devils Rock
mich vergessen. Ich stelle keine Ansprüche, weder für mich noch für dein Kind. Aber lass mir mein Leben", bettelte sie.
Das Mädchen spürte, dass Gefahr drohte. Schreiend stürzte es auf den Mann zu und versuchte, ihn von der Mutter weg zu reißen. "Geh weg, du böser Mann", schrie sie. "Geh weg, sonst verhau ich dich."
Brutal schlug die große Männerhand zu. Das Kind spürte den Schlag im Gesicht, dann verlor es den Boden unter den Füßen. Es wurde dunkel.
"Nicht, bitte nicht." Christina hörte sich selbst wimmern und versuchte krampfhaft, die Augen zu öffnen. Sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen, aber sie schaffte es kaum, aus dem Alptraum zu erwachen, der sie gnadenlos gefangen hielt. Zum ersten Mal konnte sich das Mädchen an den Inhalt eines Traumes erinnern, so real, als hätte diese grausame Tat eben tatsächlich stattgefunden. Noch immer glaubte sie, die beiden Stimmen hören zu können, wenn sie nur genau genug hinhörte. Und sie spürte den Schlag im Gesicht, mit dem der böse Mann ihren Angriff abgewehrt hatte.
Noch immer leise schluchzend legte sie die Hand an die Wange, denn es brannte an dieser Stelle höllisch, fühlte sich auch ganz heiß an. Sie war so verwirrt, dass sie nicht wusste, ob sie nur an einen Traum glauben sollte oder ob sie das tatsächlich erlebt hatte.
Sie stand auf und ging mit unsicheren Schritten zum Ufer. Ruhig lag der kleine See da, denn kein Lüftchen regte sich. Nur vereinzelte Sonnenstrahlen brachen sich in der Wasseroberfläche, als hätte jemand unzählige Diamanten ausgestreut.
Der Boden fühlte sich weich an. Ein Schritt noch und sie würde bereits im Wasser stehen. In Gedanken konnte sie schon das kalte Wasser spüren, das ihre Fesseln umspülte.
Christina blieb stehen. Was ging mit ihr vor? War das jetzt Wirklichkeit oder gehörte es auch noch zu ihrem Traum? Was passierte jetzt?
Sie fasste sich an den Kopf. Nein, es ging nicht mit rechten Dingen zu, davon war sie mit einem Mal überzeugt. Aber sie hatte nicht genügend Kraft, um sich gegen das zu wehren, was sie gerade im Begriff war zu tun.
Sie hob das rechte Bein, um einen weiteren Schritt zu tun. Dann stand sie im Wasser. Es war noch nicht besonders tief, aber in ihrem Innern wusste sie, dass es nur ein schmales Ufer war, das bald viel tiefer werden würde.
Jetzt war das Wasser bereits bis zu ihren Knien gestiegen. Es war kalt und eigentlich unangenehm, aber sie merkte es nicht. Sie ging einfach weiter ohne zu wissen, warum sie das tat.
Plötzlich merkte sie, wie ihr Fuß beim nächsten Schritt ins Leere trat. Sie schwankte und versuchte, sich irgendwo fest zu halten. Doch da war nichts – nur Wasser.
Christina konnte nicht schwimmen. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie ertrinken würde, wenn nicht jemand kam, um ihr zu helfen. Sie ruderte verzweifelt mit den Armen, versuchte, an der Oberfläche zu bleiben.
Immer wieder schluckte sie Wasser, und sie atmete es auch ein, was in ihrem Kopf wie Feuer brannte. Sie hatte das Gefühl, als würde gleich ihr Brustkorb zerreißen.
Verzweifelt ruderte sie mit den Armen in der Hoffnung, nicht umzufallen. Wenn sie erst den Boden unter den Füßen verloren hatte, dann gab es keine Rettung mehr für sie.
Doch genau das passierte. Auf einmal hatte Christina das Gefühl, als würde sie in eine Untiefe absinken. Panik überfiel sie, aber die hielt nicht lange an. Dann kam eine Ruhe über sie. Sie riss die Augen auf, aber sie konnte nichts erkennen. Alles war verschwommen.
Leises Rauschen drang in ihr Bewusstsein, das sich bei genauerem Hinhören zu einer sanften, einschmeichelnden Melodie veränderte. Sie fühlte sich mit einem Mal geborgen und beschützt und konnte sich ganz in die Situation ergeben. Erst als sie den heftigen Griff an ihrem Handgelenk spürte verstummte die Musik und die Panik war wieder da. Sie begann, wild mit den Armen zu rudern und mit den Füßen verzweifelt nach festem Grund zu suchen.
"Bist du verrückt geworden?" Benjamins aufgeregte Stimme war wie eine kalte Dusche, die über sie hereinprasselte. "Wolltest du dich umbringen, oder was sollte das?" Der Elfjährige war so zornig, dass ihm nicht einmal kalt war, obwohl die Sonne inzwischen hinter dunklen Wolkenbergen verschwunden war.
Christina schnappte nach Luft und begann verzweifelt zu husten. "Ich weiß nicht, wie das gekommen ist", keuchte sie. Schwach hing sie in Benjamins Armen,
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