Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
ging es durch einen Korridor, nach links, der Geruch wurde schwächer und der Korridor heller, denn er hatte hier eine Glasdecke und rechts und links weiße Türen. Vor einer dieser Türen blieb der Wächter stehen, klopfte an, nahm die Mütze ab und trat ein. Im Korridor war es still, durch die Decke rieselte Licht.
    In der entfernten Ecke verdichtete sich die Dunkelheit.
    Der Wächter kam heraus und sagte.
    »Treten Sie ein.«
    Nikolka ging hinein, gefolgt von Irina Nai. Er nahm die Mütze ab und sah als erstes die schwarzen Vierecke glänzender Vorhänge im riesigen Zimmer, ein Strahlenbündel grellen Lichtes, das auf den Tisch fiel, und in diesem Bündel einen schwarzen Bart, ein abgespanntes, runzliges Gesicht und eine gebogene Nase. Deprimiert blickte er auf die Wände. Im Halbdunkel blitzten endlose Schränke, durch deren Scheiben dunkle und gelbe Mißgeburten schimmerten, chinesischen Figuren ähnlich. Etwas weiter weg sah er einen großen Mann mit einer Lederschürze und schwarzen Handschuhen sich über einen langen Tisch beugen, auf dem wie Kanonen Mikroskope standen, deren Spiegel und Metallteile im Licht einer tiefhängenden grünen Lampe blinkten.
    »Was wünschen Sie?« fragte der Professor.
    Aus dem abgespannten Gesicht und dem Bart schloß Nikolka, daß dies der Professor sein müsse und der andere sein Helfer.
    Nikolka hustete, starrte wieder in das Lichtbündel der merkwürdig gebogenen Lampe und auf die anderen Dinge – die tabakgelben Finger, den widerlichen Gegenstand, der vor dem Professor lag – einen menschlichen Hals nebst Kinn, der aus Sehnen und Fäden bestand und von Dutzenden glänzender Haken und Scheren gehalten wurde.
    »Sind Sie Verwandte des Toten?« fragte der Professor. Er hatte eine dumpfe Stimme, die zu seinem ausgemergelten Gesicht und dem Bart paßte. Er hob den Kopf und musterte Irina Nai, ihren Pelzmantel und ihre Schuhe.
    »Ich bin seine Schwester«, sagte Irina und bemühte sich, das, was vor dem Professor lag, nicht anzusehen.
    »Sehen Sie, Sergej Nikolajewitsch, so kompliziert ist das alles. Dies ist nicht der erste Fall. Aber vielleicht ist er noch nicht bei uns. Auch in die Tschornorabotschaja sind Leichen gebracht worden.«
    »Möglich«, sagte der Große und warf ein Instrument zur Seite.
    »Fjodor!« rief der Professor.

    »Nein, dort … dort dürfen Sie nicht hinein. Ich gehe allein«, sagte Nikolka schüchtern.
    »Dort würden Sie umfallen, Fräulein«, bestätigte der Wächter. »Sie können hier warten«, fügte er hinzu.
    Nikolka nahm ihn beiseite, reichte ihm noch zwei Geldscheine und bat ihn, dem Fräulein einen sauberen Hocker zu geben. Machorka paffend, trat der Wächter in einen Raum, wo eine grüne Lampe brannte und Skelette standen, und brachte einen Hocker.
    »Sie sind kein Mediziner, junger Mann? Mediziner gewöhnen sich schnell daran.« Er öffnete eine große Tür und knipste Licht an. Unter der verglasten Decke flammte eine Glaskugel auf. Schwerer Geruch schlug ihnen entgegen. Helle Zinktische standen in Reihen. Sie waren leer. Irgendwo fielen laut Tropfen in einen Ausguß. Auf dem Steinfußboden hallten die Schritte. Nikolka litt unter dem Geruch, der hier wohl ewig haften würde, und versuchte, an nichts zu denken. Er und der Wächter traten durch die gegenüberliegende Tür in einen stockdunklen Korridor, wo der Wächter eine kleine Lampe anknipste, und gingen dann noch ein Stück weiter. Der Wächter schob einen schweren Riegel zurück, öffnete eine eiserne Tür und knipste wieder. Kälte drang Nikolka entgegen. In den Ecken des dunklen Raumes standen riesige Zylinder, bis über den Rand gefüllt mit Fetzen menschlichen Fleisches, mit Hautlappen, Fingern und Stücken zerschlagener Knochen. Nikolka wandte sich ab und schluckte, der Wächter gab ihm ein Fläschchen und sagte:
    »Riechen Sie, junger Mann.«
    Nikolka schloß die Augen und zog gierig den unerträglich scharfen Geruch von Salmiakgeist ein.
    Wie im Halbschlaf sah Nikolka mit blinzelnden Augen die Glut in Fjodors Pfeife und spürte den herrlichen Geruch des brennenden Machorkas. Fjodor machte sich am Schloß des Liftes zu schaffen, öffnete ihn dann, und sie traten auf die Plattform. Fjodor legte den Hebel um, der Fahrstuhl sank knarrend abwärts. Von unten zog eisige Kälte herauf. Der Fahrstuhl hielt. Sie betraten ein riesiges Kellergewölbe. Nikolka sah wie durch einen Schleier, was er nie im Leben gesehen hatte. Wie Holz lagen nackte menschliche Leiber gestapelt, die trotz des

Weitere Kostenlose Bücher