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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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des schwarz gekleideten Juden, festgestampftes Heu und Pferdemist.
    Nur diese Leiche bezeugte, daß Peturra kein Mythos, sondern wirklich dagewesen war. Blim … blim … Die Gitarre, der Türke, die schmiedeeiserne Laterne in der Bronnaja, im Schnee schleifende Mädchenzöpfe, Schußwunden, wildes Tiergeheul in der Nacht, Frost … Ja, das alles war dagewesen.
    Griz, Griz, an die Arbeit,
meine Stiefel sind kaputt …
    Aber wozu war es dagewesen? Niemand kann das sagen. Wird jemand für das vergossene Blut zahlen?
    Nein. Niemand.
    Der Schnee wird tauen, das grüne ukrainische Gras wird wachsen und die Erde bedecken, die Saaten werden üppig aufgehen, darüber werden Hitzewellen flimmern, und kein Blut wird zu sehen sein. Das Blut ist billig auf diesen rotgoldenen Feldern, und niemand wird dafür zahlen.
    Niemand.
    Am Abend wurde der Ofen so stark geheizt, daß er bis tief in die Nacht die Hitze hielt. Die Inschriften waren abgewaschen, nur eine war geblieben:
    Jelena, ich habe Karten für »Aida«
    Das mit der Mütze eines weißen Generals bedeckte Haus auf dem Alexejewski-Hang schlief schon lange und schlief warm. Hinter den dichten Gardinen wanderte Schlaftrunkenheit umher und wiegte sich in den dunklen Schatten.
    Vor den Fenstern erblühte immer sieghafter die grimmig kalte Nacht und schwebte lautlos über der Erde. Die Sterne flimmerten, und besonders hoch am Himmel stand der rote fünfzackige Stern – der Mars.
    In die warmen Zimmer waren Träume eingezogen.
    Turbin schlief in seinem Zimmerchen, und der Traum hing über ihm wie ein verwaschenes Bild. Wankend schwebte das Vestibül vor ihm, und Alexander I. verbrennt die Divisionslisten in einem Öfchen. Julia geht vorbei, winkt ihm zu und lacht. Schatten huschen und schreien: »Haltet ihn! Haltet ihn!«
    Sie geben lautlose Schüsse ab, und Turbin versucht, ihnen zu entkommen, aber seine Füße kleben fest am Bürgersteig der Malo-Prowalnaja-Straße, und er muß sterben im Traum. Stöhnend wachte er auf, im Wohnzimmer hörte er Myschlajewski schnarchen und im Bücherzimmer Karausche und Lariossik leise pfeifen. Er wischte den Schweiß von der Stirn, kam zu sich, lächelte schwach und streckte die Hand nach der Uhr aus. Sie zeigte drei.
    »Wahrscheinlich sind sie abgezogen. Peturra … Und sie kommen nie mehr wieder.«
    Dann schlief er wieder ein.

    Die Nacht blühte. Der Morgen nahte, das unter zottigem Schnee begrabene Haus schlief. Der geplagte Wassilissa ruhte in den klammen Laken und wärmte sie mit seinem abgemagerten Körper. Er hatte einen unsinnigen und runden Traum. Es hat gar keine Revolution gegeben, alles ist Unsinn und Nichtigkeit. Im Traum. Ein zweifelhaftes, trügerisches Glück überkommt ihn. Es ist Sommer, und er hat sich einen Gemüsegarten gekauft. Blitzschnell wächst das Gemüse. Die Beete bedecken sich mit lustigen Ranken, aus denen Gurken wie grüne Zapfen hervorlugen. Wassilissa, in einer Leinenhose, steht da, betrachtet die liebe untergehende Sonne, kratzt sich den Bauch und murmelt:
    »So ist es besser … ohne Revolution. Nein, wissen Sie, mit solchen Schweinen kann man keine Revolution machen …«
    Plötzlich erinnert er sich im Traum an die gestohlene Globusuhr und wünscht, daß es ihm um sie leidtut, aber die Sonne scheint so angenehm, daß aus dem Bedauern nichts wird.
    In diesem herrlichen Augenblick kommen plötzlich runde, rosige Ferkel und wühlen mit ihren runden Rüsseln die Beete um. Erdfontänen spritzen hoch. Wassilissa nimmt einen Stock vom Boden und will die Ferkel verjagen, aber sie haben gefährliche scharfe Hauer. Sie greifen ihn an und springen dabei über einen Arschin hoch, denn in ihrem Innern sind Federn. Wassilissa schreit im Traum. Ein schwarzer Türflügel verbirgt die Ferkel, sie sinken in die Erde, und Wassilissa erblickte sein dunkles, feuchtes Schlafzimmer.

    Die Nacht blühte. Die Schlaftrunkenheit flog wie ein grauer Vogel über die STADT, machte einen Bogen um das Wladimir-Kreuz, fiel hinter dem Dnepr in die undurchdringliche Nacht und schwebte die Eisenbahnschienen entlang. Sie erreichte die Station Darniza und verweilte. Auf dem dritten Gleis stand ein Panzerzug. Bis zu den Rädern waren die Wagen in grauen Stahl gezwängt. Die Lok glich einem kantigen schwarzen Felsen, aus ihrem Bauch fiel Glut auf die Schienen, von der Seite sah es aus, als wäre die Lok mit glühenden Kohlen gefüllt. Sie zischte leise und boshaft, etwas sickerte durch die Seitenwände, ihre stumpfe Schnauze schwieg, sie

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