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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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heiligen Alten hat mich seelisch erleichtert«, erzählte der Besucher und sah zum Himmel auf. »Ich glaubte, mich nicht behandeln lassen zu dürfen und die Prüfung, die Gott mir für meine schreckliche Sünde auferlegt hat, geduldig ertragen zu müssen, aber der Vorsteher hat mich überzeugt, daß ich falsch handle. Da habe ich mich gefügt.«
    Turbin sah aufmerksam in die Pupillen des Patienten und prüfte als erstes die Reflexe. Aber die Pupillen waren normal, nur erfüllt von trauriger Schwärze.
    »Hören Sie«, sagte Turbin und legte das Hämmerchen zur Seite. »Sie sind anscheinend ein religiöser Mensch.«
    »Ja, ich denke Tag und Nacht an Gott und bete zu ihm. Er ist meine Zuflucht und mein Trost.«
    »Das ist natürlich sehr gut«, sagte Turbin vorsichtig und ließ den Blick nicht von des anderen Augen. »Ich achte solche Gefühle, aber mein Rat ist: Geben Sie für die Dauer der Behandlung diesen hartnäckigen Gedanken an Gott auf. Er wird bei Ihnen schon zur fixen Idee. Und das ist in Ihrem Zustand schädlich. Sie brauchen Luft, Bewegung, Schlaf.«
    »Nachts bete ich.«
    »Das muß sich aber ändern. Sie müssen Ihre Gebetsstunden verkürzen. Die ermüden Sie, Sie aber brauchen Ruhe.«
    Der Kranke senkte demütig den Blick.
    Er stand nackt vor Turbin und ließ sich untersuchen.
    »Haben Sie Kokain geschnupft?«
    »Unter den abscheulichen Lastern, denen ich frönte, war auch dieses. Jetzt aber nicht mehr.«
    Weiß der Teufel … und wenn er ein Spitzbube ist und sich nur verstellt? Man muß in der Diele aufpassen, daß die Pelze nicht verschwinden.
    Turbin kratzte dem Kranken mit dem Griff des Hämmerchens ein Fragezeichen auf die Brust. Das weiße Zeichen wurde rot.
    »Sehen Sie, Dermographismus ist bei Ihnen vorhanden. Hören Sie auf, sich für religiöse Fragen zu begeistern. Überhaupt sollten Sie möglichst wenig belastenden Gedanken nachhängen. Ziehen Sie sich an. Morgen fange ich an, Ihnen Quecksilber einzuspritzen, und in einer Woche mache ich Ihnen die erste Infusion.«
    »Gut, Herr Doktor.«
    »Kokain – verboten. Trinken – verboten. Frauen auch.«
    »Ich meide Frauen und Gifte. Ich meide böse Menschen«, sprach der Kranke, während er sein Hemd zuknöpfte. »Der böse Geist meines Lebens, der Vorbote des Antichrist, ist in die Stadt des Teufels gefahren.«
    »So geht es aber nicht, mein Lieber«, stöhnte Turbin. »So landen Sie noch in der Nervenklinik. Welchen Antichrist meinen Sie?«
    »Ich spreche von seinem Vorboten, Michail Semjonowitsch Schpoljanski, einem Menschen mit den Augen einer Schlange und einem schwarzen Backenbart.«
    »Was sagen Sie? Mit schwarzem Backenbart? Bitte, wo wohnt er?«
    »Er ist ins Reich des Antichrist gefahren, nach Moskau, um ein Signal zu geben und der bösen Engel Heerscharen in diese Stadt zu führen um der Sünden ihrer Bewohner willen. Wie weiland Sodom und Gomorrha.«
    »Mit bösen Engeln meinen Sie die Bolschewiken? Einverstanden. Trotzdem, so geht es nicht. ›Backenbart‹ … Folgendes: Ammon. Bromat. Kal. Bromat. Natr. Bromat. Sie werden Brom einnehmen. Dreimal täglich einen Eßlöffel. Wie sieht er aus, dieser Vorbote?«
    »Schwarzhaarig …«
    »Jung?«
    »Er ist noch jung. Aber Abscheulichkeit steckt in ihm wie in einem tausendjährigen Teufel. Er verführt Ehefrauen zur Unzucht, Jünglinge zum Laster. Schon schmettern die Trompeten der sündigen Heerscharen, und über die Felder schwebt das Antlitz des Satans, der ihnen folgt.«
    »Sie meinen Trotzki?«
    »Ja, das ist der Name, den er angenommen hat. Sein Name heißt auf hebräisch Abaddon und auf griechisch Appollyon, was bedeutet – der Verderber.«
    »Ich sage Ihnen mit allem Ernst, wenn Sie damit nicht aufhören, wird bei Ihnen … nehmen Sie sich in acht, das sind ja schon Wahnvorstellungen.«
    »Nein, Herr Doktor, ich bin normal. Nicht was Sie denken. Wieviel bekommen Sie für Ihr heiliges Werk?«
    »Na hören Sie, jedes zweite Wort bei Ihnen heißt ›heilig‹. In meiner Arbeit sehe ich nichts besonders Heiliges. Ich nehme für die Behandlung 400 Rubel. Sie wird etwa anderthalb Monate dauern. Wenn Sie bei mir in Behandlung bleiben wollen, lassen Sie einen Vorschuß da.«
    »Sehr gut.«
    Er knöpfte den Feldrock auf.
    »Vielleicht ist bei Ihnen das Geld knapp«, murmelte Turbin und blickte auf die abgewetzten Hosenknie. (Nein, der ist kein Spitzbube, aber er schnappt über.) »Dann können Sie weniger geben.«
    »Nein, Doktor, ich beschaffe Geld. Sie erleichtern die Menschheit auf

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