Die weiße Garde
Ihre Weise.«
»Und manchmal mit viel Erfolg. Das Brom nehmen Sie bitte regelmäßig ein.«
»Völlige Erleichterung, verehrter Doktor, finden wir nur dort.« Der Kranke zeigte fanatisch auf die weiße Decke. »Jetzt aber erwarten uns Prüfungen, wie wir sie noch nie erlebt haben. Und sie werden sehr bald kommen.«
»Danke bestens. Ich bin schon genug geprüft.«
»Verreden Sie’s nicht, Doktor, das darf man nicht«, murmelte der Kranke, während er in der Diele seinen Ziegenpelz anzog, »denn es steht geschrieben: Der dritte Engel goß aus seine Schale in die Wasserströme, und es ward Blut.«
Irgendwo habe ich das schon gehört. Aber natürlich, er hat sich ja ausgiebig mit dem Priester unterhalten. Die haben sich gesucht und gefunden.
»Ich rate Ihnen allen Ernstes: Lesen Sie nicht so viel die Apokalypse. Ich wiederhole, es ist schädlich für Sie. Habe die Ehre. Morgen um sechs Uhr bitte. Nikolka, laß den Herrn hinaus.«
Eines Abends hob Scherwinski gefühlvoll die Hand und sprach:
»Na, wie findet ihr das? Als man sie aufsammelte, hatten sie an ihren Papachas rote Sterne.«
Alle hörten Scherwinski offenen Mundes zu, sogar Anjuta stand in der Tür.
»Was denn für Sterne?« fragte Myschlajewski äußerst finster.
»Kleine, wie Kokarden, fünfzackig. Auf allen Papachas. Und in der Mitte eine Sichel und ein kleiner Hammer. Sie drängen heran wie ein Heuschreckenschwarm. Die erste Division Petljuras haben sie schon geschlagen und aufgerieben.«
»Woher weiß man das?« fragte Myschlajewski argwöhnisch.
»Man weiß es gut, denn in den Hospitälern der STADT liegen schon Verwundete.«
»Aljoscha«, rief Nikolka, »weißt du, die Roten kommen! Es soll schon Kämpfe bei Bobrowizy geben.«
Turbin verzog böse das Gesicht und sagte zischend:
»Das gönne ich dem Hundesohn, so gehört es sich für den Dreckskerl.« Er hielt inne und machte den Mund auf. »Erlauben Sie … vielleicht ist das eine Ente … nur eine kleine Bande …«
»Eine Ente?« fragte Scherwinski freudig. Er schlug die »Westi« auf und zeigte mit dem manikürten Fingernagel auf den Satz:
»Unsere Truppen haben mit einem glanzvollen Schlag die Roten in Richtung Bobrowizy zurückgeworfen.«
»Na, dann ist das wirklich sein Grab. Wenn so etwas drinsteht, haben die Roten Bobrowizy genommen.«
»Bestimmt«, bestätigte Myschlajewski.
Die Epauletten auf dem schwarzen Tuch. Das alte Sofa.
»So, Julia«, sagte Turbin und holte Myschlajewskis Revolver, den er sich für diesen Abend geliehen hatte, aus der Gesäßtasche. »Sag mir bitte, in was für Beziehungen stehst du zu Michail Schpoljanski?«
Julia prallte zurück, stieß gegen den Tisch, der Lampenschirm klirrte. Ihr Gesicht war zum erstenmal wirklich bleich.
»Alexej … Alexej … was tust du?«
»Sag mir, Julia, in was für Beziehungen stehst du zu Michail Schpoljanski?« wiederholte Turbin fest wie einer, der endgültig beschlossen hat, sich den schmerzenden faulen Zahn ziehen zu lassen.
»Was willst du wissen?« fragte Julia, ihre Augen bewegten sich, sie hielt die Hand vor die Mündung.
»Nur das eine: Ist er dein Liebhaber oder nicht?«
Julias Gesicht belebte sich ein wenig. Das Blut kehrte in den Kopf zurück. Ihre Augen glänzten sonderbar, als empfände sie Turbins Frage als ganz leicht und hätte sie Schlimmeres erwartet. Ihre Stimme belebte sich.
»Du hast nicht das Recht, mich zu quälen«, sagte sie. »Nun gut … ich sage dir zum letzten Mal, er war nicht mein Geliebter. Er war es nicht.«
»Schwöre.«
»Ich schwöre.«
Julias Augen waren durch und durch hell wie Kristall.
Spät in der Nacht kniete Doktor Turbin vor Julia, sein Kopf lag auf ihren Knien, und er murmelte:
»Du quälst mich. Du quälst mich. Und den ganzen Monat, seit ich dich erkannt habe, lebe ich nicht. Ich liebe dich, ich liebe dich …« Er murmelte leidenschaftlich, beleckte die Lippen.
Julia Reiß beugte sich über ihn und streichelte ihm das Haar.
»Sag mir, warum hast du dich mir hingegeben? Liebst du mich? Ja oder nein?«
»Ja«, antwortete Julia und blickte auf die Gesäßtasche des Knienden.
Als Turbin um Mitternacht nach Hause ging, war kristallklarer Frost. Der Himmel war hart und gewaltig und mit fünfzackigen roten Sternen übersät. Der größte und lebendigste war der Mars. Aber der Arzt blickte nicht zu den Sternen.
Er ging und murmelte:
»Ich will keine Prüfungen. Mir reicht’s. Nur dieses Zimmer. Epauletten. Der Leuchter.«
Binnen drei Tagen änderte sich
Weitere Kostenlose Bücher