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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Besinnen zurück und schloß die Augen wie ein Verurteilter, über dem der Henker schon das Beil erhoben hat.
    »Dummchen …«
    Unerwartet sah Turbin durch die Tür. Sein Gesicht wurde giftig.
    »Betrachtest den Staubwedel, Vitja? Soso. Schön ist er. Es wäre besser, du gingest deiner Wege, ja? Und du, Anjuta, merke dir: Wenn er dir verspricht, dich zu heiraten, glaube ihm nicht, er heiratet dich nicht.«
    »Was willst du denn, mein Gott, darf man denn einen Menschen nicht begrüßen?«
    Myschlajewski lief bei der unverdienten Kränkung rot an, warf sich in die Brust und verließ sporenklirrend das Wohnzimmer. Im Eßzimmer trat er an die hochmütige, goldblonde Jelena heran; seine Blicke huschten.
    »Guten Tag, strahlende Jelena. Ähem …« (Aus Myschlajewskis Kehle kam statt des metallenen Tenors ein heiserer Bariton.) »Liebe Jelena«, rief er gefühlvoll, »sei mir nicht böse. Ich habe dich gern und bitte dich, mich auch gern zu haben. Daß ich mich gestern so ungehörig benommen habe, vergiß bitte. Oder hältst du mich etwa für einen Schurken, Jelena?«
    Nach diesen Worten umarmte er Jelena und küßte sie auf beide Wangen. Im Wohnzimmer fiel weich der Staubwedel zu Boden. Jedesmal, wenn Leutnant Myschlajewski in der Turbinschen Wohnung aufkreuzte, widerfuhren Anjuta merkwürdige Dinge. Die Haushaltsgegenstände fielen ihr aus den Händen, in der Küche rasselten Messer oder die Untertassen vom Büfett zu Boden; Annuschka war zerstreut, lief unnütz in den Korridor und wienerte die Galoschen, bis sie die gelockerten Sporen klirren hörte und das schiefe Kinn, die breiten Schultern und die blauen Reithosen sah. Dann schloß sie die Augen und verließ vorsichtig die tückische Korridorschlucht. Jetzt hatte sie im Wohnzimmer den Staubwedel fallen lassen, stand versunken da und starrte blicklos durch die gemusterten Stores in den grauen, wolkenbedeckten Himmel.
    »Vitja, Vitja«, sagte Jelena und schüttelte den Kopf, der einer blankgeputzten Theaterkrone glich, »wenn ich dich so sehe, bist so ein kräftiger Kerl, was hat dich bloß gestern so umgeworfen? Setz dich, trink Tee, vielleicht wird dir besser.«
    »Bezaubernd siehst du heute aus, Jelena, bei Gott. Und dein Morgenrock steht dir großartig, Ehrenwort«, schmeichelte Myschlajewski und warf schnelle Blicke in die mit Spiegelglas ausgelegten Büfettfächer. »Karausche, sieh doch, dieser Morgenrock! Ganz grün. Du bist wunderschön.«
    »Jelena Wassiljewna ist sehr schön«, sagte Karausche ernst und aufrichtig.
    »Türkis ist das«, erklärte Jelena. »Vitja, sag lieber gleich, was du willst.«
    »Weißt du, Jelena, nach der gestrigen Geschichte kann ich Migräne bekommen, und gegen Migräne hilft nichts.«
    »Schon gut, im Büfett.«
    »So ist’s recht. Nur ein Gläschen. Es ist besser als Pyramidon.« Myschlajewski trank mit schmerzlich verzogenem Gesicht zwei Gläschen Wodka hintereinander und aß dazu eine welke saure Gurke vom Vortag. Dann erklärte er, sich wie neugeboren zu fühlen, und äußerte den Wunsch, Tee mit Zitrone zu trinken.
    »Du, Lena«, sagte Turbin, auch etwas heiser, »mach dir keine Sorgen und warte auf mich, ich fahre hin, lasse mich eintragen und kehre gleich zurück. Was die Kriegshandlungen betrifft, so brauchst du dich nicht zu beunruhigen, wir werden in der STADT sitzen und die Angriffe dieses teuren ukrainischen Präsidenten, dieses Halunken, zurückschlagen.«
    »Hoffentlich schickt man euch nicht irgendwohin.«
    Karausche winkte beruhigend ab.
    »Keine Bange, Jelena Wassiljewna. Die Division ist auf keinen Fall vor zwei Wochen fertig aufgestellt, denn wir haben noch keine Pferde und keine Munition. Und selbst wenn sie aufgestellt ist, bleiben wir zweifellos in der STADT. Die ganze Armee, die wir jetzt formieren, wird bestimmt zur Garnison erklärt. Vielleicht später, wenn wir gegen Moskau ziehen.«
    »Nun, das wird nicht so bald sein. Ähem …«
    »Zuerst müssen wir uns mit Denikin vereinigen.«
    »Sie brauchen mich nicht zu trösten, meine Herren, ich habe keine Angst, im Gegenteil, ich billige alles.«
    Jelena sprach wirklich ganz munter, und in ihren Augen waren nur sachliche Alltagssorgen.
    »Anjuta, meine Liebe«, rief sie, »auf der Veranda hängt Viktor Viktorowitschs Wäsche. Nimm sie, mein Kind, bürste sie gut und wasche sie gleich aus.«
    Am meisten beruhigte Jelena der stämmige, blauäugige Karausche. Zuversichtlich stand er in der rostbraunen Uniformjacke da und rauchte gelassen mit eingekniffenen

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