Die weiße Garde
und Schwärze.
»Kommen Sie, laufen Sie hinter mir her«, flüsterte die Frau, drehte sich um und eilte einen schmalen, ziegelgepflasterten Weg entlang. Turbin lief sehr langsam hinter ihr her. Links tauchten Schuppenwände auf, und die Frau bog ab. Rechts lag ein märchenhafter weißer Terrassengarten. Direkt vor der Nase ein niedriger Zaun, die Frau drang durch eine zweite Pforte, Turbin folgte ihr atemlos. Sie schlug die Pforte zu, vor seinen Augen tauchte ihr Bein auf, wohlgeformt, schwarzbestrumpft, der Rocksaum flatterte, die Beine trugen sie leicht eine Ziegeltreppe hinauf. Mit seinem geschärften Gehör nahm Turbin wahr, daß die Straße und die Verfolger irgendwo hinten zurückgeblieben waren. Da … da kommen sie um die Biegung gelaufen, suchen ihn. Wenn sie mich doch retten könnte, dachte Turbin, aber ich werde es wohl nicht schaffen, mein Herz … Plötzlich fiel er, kurz vor dem Ende der Treppe, auf das linke Knie und den linken Arm. Alles um ihn herum begann sich zu drehen. Die Frau bückte sich und faßte ihn unter den rechten Arm.
»Wir … haben’s gleich geschafft!« rief sie, öffnete mit der zitternden Linken eine dritte niedrige Pforte, zog den stolpernden Turbin hindurch und rannte eine kleine Allee entlang. Sieh mal an, ein Labyrinth … wie für mich geschaffen, dachte Turbin sehr matt und sah sich plötzlich in einem weißen Garten, aber schon irgendwo sehr hoch und weit entfernt von der verhängnisvollen Malo-Prowalnaja. Er fühlte, daß die Frau ihn zog, daß seine linke Seite und sein linker Arm sehr warm waren und der übrige Körper kalt und das eiskalte Herz sich kaum noch bewegte. Sie hätte mich gerettet, aber es ist gleich aus mit mir, aus … Die Beine werden schwach. Undeutlich sah er unberührte, schneebedeckte Fliederbüsche, eine Tür, eine verschneite Glaslaterne vor einem altertümlichen Flur. Und dann hörte er einen Schlüssel klirren. Die Frau war immer da, an seiner rechten Seite, und mit letzter Kraft, schwach wie ein Faden, zog sich Turbin hinter ihr her in die Laterne hinein. Dann mit dem zweiten Schlüsselklirren in die Dunkelheit, aus der ihm ein wohnlicher, alter Geruch entgegenschlug. Über seinem Kopf flammte schwach ein Lichtchen auf, die Dielen rutschten unter seinen Füßen nach links. Unerwartete giftgrüne Fetzen mit feuerrotem Rand flogen vor den Augen nach rechts, und das Herz spürte in der völligen Dunkelheit sogleich Erleichterung.
Im trüben, unruhigen Licht eine Reihe abgenutzter goldener Hütchen. Lebendige Kälte fließt auf die Brust und verschafft ihm mehr Luft, aber im linken Ärmel ist eine verderbenbringende, feuchte, tote Wärme. Das ist es, ich bin verwundet. Turbin begriff, daß er auf dem Fußboden lag und den Kopf schmerzhaft auf etwas Hartes und Unbequemes stützte. Die goldenen Hütchen vor den Augen gehörten zu einer Truhe. Es war so kalt, daß es ihm den Atem verschlug – sie goß ihm Wasser auf die Brust.
»Um Gottes willen«, sagte über ihm eine schwache Stimme, »schlucken Sie es hinunter, schlucken Sie. Atmen Sie noch? Was soll ich bloß machen?«
Das Glas stieß gegen die Zähne, Turbin nahm einen Schluck sehr kaltes Wasser. Jetzt sah er dicht vor sich helle Haarlöckchen und sehr schwarze Augen. Die Frau hockte neben ihm, stellte das Glas auf den Boden, faßte ihn weich um den Hals und versuchte, ihn aufzuheben.
Habe ich ein Herz? dachte er. Es scheint, ich lebe wieder auf … Vielleicht habe ich gar nicht soviel Blut verloren … Ich muß kämpfen. Das Herz schlug sehr schnell, flatternd, bildete einen endlosen, verknoteten Faden, und Turbin sagte schwach: »Nein. Reißen Sie alles herunter und binden Sie mir mit irgendwas den Arm ab.«
Bemüht, zu verstehen, riß sie die Augen weit auf, dann begriff sie, sprang auf, stürzte zum Schrank und warf einen Berg Stoff heraus.
Turbin biß sich auf die Lippe und dachte: Oh, kein Fleck auf dem Fußboden, ich scheine zum Glück nicht viel Blut verloren zu haben. Mit ihrer Hilfe wand er sich aus dem Mantel, setzte sich auf und bemühte sich, das Schwindelgefühl im Kopf nicht zu beachten. Sie wollte ihm die Jacke ausziehen.
»Schere«, sagte er.
Das Sprechen fiel ihm schwer, die Luft war knapp. Sie verschwand mit schwingendem schwarzem Seidenrock und riß sich in der Tür Pelzmantel und Mütze herunter. Dann kehrte sie zurück, hockte sich hin, drang stumpf und qualvoll mit der Schere in den aufgeweichten und vom Blut vollgesogenen Ärmel ein, trennte ihn auf und befreite
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