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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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Harem, was es nicht alles gab! Und dann hörte ich bei einem meiner Erkundungsspaziergänge im Garten die schöne deutsche Volksweise „Ein Männlein steht im Walde“. Ich blieb stehen und lauschte. Eine Frauenstimme sang hell und melodisch.
    Und dann versuchte sich eine Kinderstimme an dem Lied, machte aus dem Männlein ein Mannlein.
    „Männlein“, verbesserte die Frauenstimme sanft.
    Hier fand Deutschunterricht statt. Deutschunterricht im Harem.
    „Hallo, Sie da drin, können Sie mich hören“, rief ich über die hohe Mauer zu dem offenstehenden Fenster im ersten Stock hinauf. Meine Annäherungsversuche hatten erst nach ein paar Tagen Erfolg: Ein Stein, umwickelt mit Papier, flog in meinen Garten. So lernte ich Lisa kennen, eine damals 48jährige Münchnerin. Eine Woche später trafen wir uns im Haus von Mila, einer Bekannten von Lisa. Zu dem Treffen im Stadtteil Suru Lere wurde Lisa von einem Leibwächter ihres Jesus gebracht. Mila nannte sich Consultant, Beraterin. In welchen Angelegenheiten, sollte ich erst später erfahren.
    Zunächst wunderte ich mich über Milas Haus, in dem ebenfalls eine Menge Frauen lebten, die Mila allesamt mit sister ansprach. Es waren vor allem blutjunge Mädchen, teilweise nicht mal im Teenager-Alter. Das Haus selbst, ohne jeden Luxus, war ein langgestrecktes, wellblechgedecktes Lehmhaus, mit jeweils acht Zimmern auf jeder Seite. Mila, eine korpulente Frau zwischen vierzig und sechzig Jahren, war mit goldenen Ketten und Armreifen geschmückt, keiner ihrer groben Finger, an dem nicht ein großer Ring prangte. Sie sprach bei den ersten Treffen kaum mit mir, schien mich aber aus der Entfernung im Auge zu behalten.
    Mich interessierte natürlich, wie sich eine Deutsche einen Mann mit 38 Frauen teilen konnte. Wo ich schon Probleme mit mei ner Mit frau hatte ... Lisa sah das ganz anders, natürlich. Sie war mit ihrem deutschen Mann nach Nigeria gekommen, der an einer Schule unterrichtete. Die damals 16jährige Tochter hatte sich entschieden, in Deutschland ein Internat zu besuchen. Lisa stand in Lagos ohne Aufgabe da. Sie war damals 42 und kam in die Wechseljahre - viel zu früh. Durch die Vermittlung von Mila, die ihr eine ihrer sisters als Dienstbotin gestellt hatte, kam sie in Kontakt mit Jesus. Und wurde Teil seiner family, wie er das nannte. Es erschien ihr völlig natürlich, auf Dauer in dieser Familie zu bleiben - sie wurde die 33.
    Frau von Jesus. Das war vor sechs Jahren.
    Jede Frau, die nach ihr in die family eintrat, wurde ebenso wie Lisa zu ihrer Zeit von den anderen zuvor „begutachtet“. Wie kleinkariert Lisa meine Eifersucht auf Mary vorkommen mußte: In der family
    gehörte Jesus all seinen Frauen. Denn die spirituelle Beziehung zu ihm war wichtiger als die körperliche. Jede Frau hatte ihr eigenes Zimmer, ebenso wie Jesus selbst. Dort besuchten die Frauen ihn.
    Sie teilten sich ihn so wie die Hausarbeit und die Erziehung der Kinder - übrigens siebenundfünfzig.
    Eines davon war Irina, die damals fünfjährige Tochter von Lisa.
    Trotz angeblicher Menopause war sie wieder schwanger geworden.
    Lisa war Jesus dankbar: Er hatte ihr ihre Jugend zurückgegeben.
    Die kleine Irina, ein milchkaffeefarbenes, sehr hübsches Kind, machte einen ausgeglichenen Eindruck. Sie sprach deutsch wie eine Erwachsene, redete in einem lustigen Pidgin-Englisch mit den jungen Mädchen bei Mila und konnte laut Lisa auch einige Sätze auf yoru-ba und ibo sagen.
    Bei einem meiner Besuche beobachtete ich Mila, wie sie ihren
    sisters die Zukunft voraussagte. Sie tat das ganz unkompliziert mit Kauri-Schnecken, die sie auf den Boden warf. Ich hielt das für ein Spiel zum Zeitvertreib und fragte spaßeshalber, ob sie es für mich auch tun könnte. Sie lehnte mit einem abfälligen, schnalzenden Laut ihrer Zunge ab.
    Zu jener Zeit hatte ich öfter Schmerzen im linken Bein, die ich verdrängte, indem ich das Bein einfach weniger belastete, was zu einem leichten Hinken führte. Ich wollte erst bei meinem nächsten Deutschland-Besuch zu meinem Münchner Arzt, falls sich die Schmerzen bis dahin nicht gegeben hatten. Vor allem aber träumte ich schlecht.
    In diesen Träumen, aus denen ich schweißgebadet erwachte, tauchte stets eine dicke Eule mit buschigen Ohren auf. Mit ihrem annähernd hühnergroßen Körper setzte die Eule sich auf meine Brust, breitete ihre großen Schwingen aus und begrub mich unter ihren Federn. In einem anderen Traum folgte ich ihr in Johns Dorf.
    Die Eule flog in das Haus, in dem

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