Die weiße Hexe
ihm feiern wollten.
„Morgen fahren wir alle an den Strand“, versprach ich. Doch ich dachte nicht daran, daß Janet und Bobby auf ein Bad in den Wellen hofften. Wovon ich nach Monikas blutigem Badeerlebnis lieber Abstand nehmen wollte. Flop reihte sich an Flop: In der tropischen Sonne schwärmten die Kinder vom Schlittenfahren. Bobby quälten nachts Alpträume, laut weinend wachte er auf. In der nächsten Nacht peinigte ihn zum ersten Mal ein Asthma-Anfall.
Aber ich wollte nicht aufgeben. Wenn Janet erst mal in die Schule ging, würde sie Freundinnen finden. Hoffte ich. Und litt. Ich hatte nicht bedacht: Das Kind mußte jeden Morgen anderthalb Stunden lang mit dem Schulbus durch die verstopfte Stadt gebracht werden und abends wieder zurück. Gleichzeitig wurde Bobbys Asthma immer schlimmer, die dringend benötigte Medizin war einfach nicht aufzutreiben.
Mutti verschob ihren Rückflug bereits zum zweiten Mal. Ohne sie würde es überhaupt nicht gehen, denn vor Kindermädchen Tessy, die die Kinder auch nicht verstand, fürchtete sich Bobby so, daß er nachts in Alpträumen von ihr sprach.
Und das alles, während Strengfurt die zweite Produktionsstätte hochzuziehen begann, fast täglich Überstunden fällig waren. Nickel belauerte mich. Er erkannte ganz offensichtlich als erster, was ich mir nicht eingestand: Ich scheiterte an der Doppelbelastung.
Die Kölner Personalchefin, mit der ich mich angefreundet hatte, rief mich an, warnte, daß Nickel in Köln Stimmung gegen mich mache; es habe meinetwegen eine Krisenbesprechung gegeben. „Nickel sagt, Sie vernachlässigten Ihre Aufgaben. Er will, daß Sie gehen.
Aber der Chef steht hinter Ihnen. Er hat eine Verlängerung Ihrer Probezeit abgelehnt. Aber er will Ihren hundertprozentigen Einsatz.“
Ein nächtlicher Erstickungsanfall Bobbys brachte die rasche Wende. „Der Junge braucht ein anderes Klima. Er verträgt die feuchte Hitze nicht“, sagte der Kinderarzt. Und ich hörte förmlich, wie alle aufatmeten. Zum Abschied kochte der zurückgekehrte Ron
- zur allgemeinen Zufriedenheit. Aber es war zu spät. Die Kinder und Mutti flogen unwiderruflich zurück. Dorthin, wo ihr Herz zu Hause war - in Deutschland bei meiner Mutter und meinem Vater.
Nickel hatte meine Schwäche zu nutzen gewußt. Während ich -nun wieder als Single mit genügend einsamer Freizeit geschlagen
-nächtelang über den Akten brütete, registrierte ich einen Fehlbetrag
von einer halben Million Mark. Entnommen einem Sonderfonds der Strengfurt AG, um - wie es so nett hieß - die Geschäfte am laufen zu halten. Meine Recherchen ergaben eindeutig: Okoro hatte das gesamte Geld auf die Konten einer Firma gebucht, die Nickel selbst über Strohmänner in Lagos betrieb. Nach stundenlangem Aktenstudium riet auch Bernd mir, Nickel wegen Veruntreuung anzuzeigen. Ich kam nicht dazu. Nickel schickte mir einen Gast ins Haus: Das Gästehaus der Firma werde renoviert, und ich bewohnte allein ein großes Haus.
Dieter Scholl war ein weichlicher Typ, der die spärlichen blonden Haare quer über die Glatze frisierte. Als Vorarbeiter für den Aufbau von Fertigungsstätten hatte er die Montage der neuen Produktionsstätte zu beaufsichtigen. Scholl eilte ein Ruf als Weiberheld voraus. Man nenne ihn „den Hengst“, berichtete Bernd besorgt. Ich bat Ken zwar, für Scholl das Erdgeschoß herzurichten.
Was den aber nicht davon abhielt, abends zu mir nach oben zu kommen. Ich bin nicht gerade jemand, der einen Gast hinauskomplimentiert, nur weil er mir nicht gefällt. Dafür bin ich zu höflich. Doch lange konnte ich diese selbstauferlegte Regel nicht einhalten. Scholl hielt mich für Freiwild.
Doch letztlich war Scholl mir egal. Es gab Wichtigeres: Victor kehrte aus London zurück! Mit einem Strauß roter Rosen stand er Mitte Januar in meinem vergitterten livingroom. Trotz Hitze trug er einen weißen Anzug und eine weinrote Krawatte mit Pferdemuster, ein Gentleman-Import aus merry old England. Ken dienerte geradezu: Sir hier - Sir da. Ich grinste in mich hinein. An Victor perlte die förmliche Untertänigkeit ab.
Ja, ich war verliebt in meinen schönen Prinzen aus einer noch viel fremderen Welt. Doch nicht er allein hatte mir die innere Balance wiedergegeben, sondern mein ganzes neues Leben. Mit all seinen Stolpersteinen und Nickels Intrigen und Machenschaften. Ich war im Begriff zu lernen, mit all dem umzugehen. An der Seite von Victor klappte das leichter, keine Frage. Gleichwohl wollte er nicht in meinem Haus
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