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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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„kleinen Party“ zu fahren.
    „Klein“? Ich wollte nicht wissen, was eine große Party war ...
    Victors Vater, der mit „Chief William“ angesprochen wurde, hatte in ein nagelneues Hotel direkt am Bar Beach eingeladen, einen typischen Siebziger-Jahre-Klotz, wie er überall auf der Welt stehen konnte. Ich war ein bißchen enttäuscht, hatte wohl von einem Palast geträumt. Aber drinnen konnte ich vor Vornehmheit kaum atmen.
    Erst jetzt wurde mir bewußt, daß Victor sich für einen westlichen Smoking entschieden hatte, denn zu der „kleinen Party“ waren die Herren in der Mehrzahl in Nationaltracht erschienen; nur einige Weiße trugen wie Victor Smoking.
    Die schwarzen Damen der feinen Gesellschaft hatten sich in üppige Tracht geworfen, aufwendiger Kopfschmuck in Form von kunstvoll verschlungenen Tüchern verlieh ihren Köpfen eine mir fremde Pracht. Ich hatte mich für das lagunengrüne, schulterfreie Seidenkleid entschieden, weil Victor fand, diese Farbe paßte am besten zu meiner weißen Haut und meinen rotblonden Haaren. In meinem schlichten, aber eleganten Kleid stach ich gegen die farbenfrohen Outfits der schwarzen Damen ganz schön ab. Draußen hatte es dreißig Grad, aber ich fror. Die Klimaanlage pustete kühle Luft in den Saal.
    Victors Vater hatte ich mir natürlich ganz anders vorgestellt. Vater König war eine angenehme Überraschung - ein ziemlich großer und schlanker, tatsächlich aristokratisch wirkender Mann mit grauen Schläfen. Victors Familie hatte väterlicherseits eine traditionsreiche Vorliebe für weiße Frauen, seine Ururgroßmutter war Portugiesin gewesen.
    Mit allen Anzeichen väterlichen Stolzes führte der afrikanisch gekleidete Senior Victor und mich herum. Eine Tour des Lächelns, nicht allzu anstrengend. Überraschenderweise kam ich besonders leicht mit den Damen der vielen Chiefs ins Gespräch. Ich trug nicht Victors Namen und wurde als Geschäftsfrau aus Deutschland vorgestellt. Das machte neugierig. Denn viele der Chief-Frauen waren selbst Geschäftsleute. Ich war trotzdem nicht ganz bei der Sache -die verflixte Klimaanlage! Ich konnte die Gänsehaut auf meinen nackten Armen nicht verbergen.
    „Armes Kind, Sie frieren ja! Darf ich Ihnen meine Stola leihen?“ Mit geradezu mütterlicher Geste legte eine der Frauen ihren mit kostbarer Goldstickerei besetzten, breiten Schal um meine Schultern. Ein herrliches Stück, wie gemacht für mein Kleid. Ich bedankte mich für diese unerwartete Herzlichkeit.
    „Ich bin Betty“, sagte die freundliche, runde Frau, „eine von Victors Tanten.“ Sie sah mich mit einem etwas spöttischen, aber wohlwollenden Blick an. „Ihr weißen Frauen wollt ja immer so schlank sein. Kein Wunder, daß ihr so leicht friert.“
    „Wie kann ich Ihnen den Schal wieder zurückgeben?“ fragte ich Betty.
    „Oh, schicken Sie ihn mit Ihrem Fahrer. Hier ist meine Karte.“

    Ich blickte kurz auf die Visitenkarte, die mit einem prächtigen Wappen geschmückt war. Unter dem Wappen stand ihr Name mit dem Zusatz president. Sie hatte ihre eigene Firma, allerdings nicht in Lagos, sondern in Benin-City.
    „Kommen Sie mich einmal besuchen“, forderte mich Betty auf. „Ich lasse Ihnen etwas richtig Afrikanisches kochen. Nicht dieses kalte europäische Essen.“ Sie spielte auf die für eine echte Afrikanerin eher indiskutablen Kaviarhäppchen und Austern an, die das Büffet auf Eis gekühlt bereithielt. Nach der Geschwindigkeit zu urteilen, mit der es sich leerte, schien es den meisten Gästen zu schmecken. Ich wollte das Gespräch mit Betty fortsetzen, doch plötzlich traf mich eine deutsche Männerstimme wie ein Peitschenhieb.
    „Guten Abend, Frau Wowo.“ Nickel! Großer Gott, was tat der denn hier? Er grinste über das ganze Gesicht, als hätte er mich bei irgendwas Verbotenem ertappt.
    „Sie amüsieren sich gut?“ fragte ich nebenbei und suchte schon Victor.
    Nickel packte mich am Arm, wehte mir seine Alkoholfahne um die Nase und zischte mir ins Ohr: „Nett, die Neger, nicht wahr? Machen einem hübsche Geschenke. Und manchmal sogar Kinder. Basteln Sie schon an einem kleinen Prinzen?“
    „Nickel“, sagte ich fassungslos, „Sie sind ein Stück Scheiße auf Beinen, wissen Sie das?“
    „Schlechter Stil, Frau Wowo“, rügte er ironisch, „wie geht es eigentlich Ihrem Mann? Oder sind Sie schon geschieden? Das war'
    schlecht für Ihre Aufenthaltsgenehmigung ...“
    Ich schluckte. Was hatte dies Ekel wieder vor? Victor erschien im rechten Augenblick,

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