Die weiße Hexe
Priesterin, als olorisha, verehrt.
Der zwanzigste Geburtstag meiner Schwester rückte immer näher.
Da sie ihn zu Hause mit ihren Freunden feiern wollte, bat ich Femi, zum Flughafen zu fahren und den Rückflug zu buchen.
Freudestrahlend kam er zurück. „Ihre Schwester wird Gesellschaft haben, Ma'am. Ihr Mann John fliegt mit der gleichen Maschine.“
„Um Himmels willen, Femi, stornieren Sie die Buchung. Sonst bekommt er doch raus, daß ich in Lagos bin!“
„Sorry, Ma'am, daran hatte ich nicht gedacht.“
So verschob sich Monikas Rückflug, und wir feierten ihren Zwanzigsten am Strand in Badagry, früher der Exporthafen für Sklaven. Für Monika, ein Kind kalter, grauer Novembertage, war es eine ganz neue Erfahrung, an ihrem Geburtstag im Meer zu schwimmen. Leider eine schmerzhafte: Das Meer hat dort gewaltige Unterströmungen, die Monika mit sich rissen. Die unglaubliche Kraft des Wassers schleifte sie am Strand entlang. Mit blutigen Knien und Armen entstieg sie dem Meer.
Ihr verlängerter Aufenthalt brachte noch eine Erkenntnis: Ron, der Meisterkoch, der ein Herz für alle wasserarmen Nachbarn hatte, entpuppte sich nicht nur in bezug auf meine Wasservorräte als verräterisch. „Ilona, dieser Ron, ich glaube, der spioniert dir nach“, berichtete mir Monika eines Tages. „Er telefoniert jeden Tag mit einem Mister Nickel. Er sagt ihm, was du so tust.“
„Wirklich? Was hast du gehört?“
„Es ging um meinen verschobenen Rückflug. Ron hat Nickel gesagt, daß ich nicht fliege, weil John auf der Maschine ist.“
Was konnte Nickel mit dieser, wie mir schien, lächerlichen Information schon anfangen? Viel! Doch das wurde mir leider erst später klar ... Zur gleichen Zeit hatte der Steward meines freundlichen Kollegen Bernd gekündigt. Ich schwatzte ihm Ron auf, und er nahm den Meisterkoch gern. „Okay. Er kocht gut, und was soll er über mich schon erzählen? Mein Ruf ist ohnehin legendär ...“
Ron gegenüber redete ich mich darauf hinaus, daß ich ein Kindermädchen einstellen wolle. Schließlich sollten vier Wochen später Janet und Bobby in Lagos eintreffen. Rons Platz in der Küche konnte Tessy nur mangelhaft ausfüllen. Ihr Speisenrepertoire umfaßte lediglich die afrikanische Küche. Blieb nur zu hoffen, daß Tessy mit den Kindern umzugehen verstand.
Rons Kochkunst genoß ich fortan als Bernds Gast, Monikas Anwesenheit nur noch bis zum nächsten Flug Lagos - München.
Von den Doggen bewacht, ging es zurück zum Flughafen.
„Und?“ fragte ich meine Schwester, „was wirst du Mutti erzählen?
War's schlimm bei mir in Afrika?“
Monika lächelte. „Etwas chaotisch. Aber ganz interessant“, sagte sie. Dann sah sie mich nachdenklich an. „Aber bist du sicher, Ilona, daß sich Bobby und Janet hier wohlfühlen werden?“
Auf der Rückfahrt überlegte ich, wieviel Gemeinsamkeiten zwischen einem Leben in Niederbayern und einem in Afrika bestanden ...
Das näher rückende Weihnachtsfest sollte nicht nur mir meine Kinder zurückbringen, sondern auch Abiola seine. So hatte ich es mir vorgenommen. „Abiola, du kannst die Mädchen nicht im Busch lassen. Sie sind an deutsche Weihnachten gewöhnt“, sagte ich.
„Du hast ja recht, Ilona. Aber ohne Yemi ist für mich Weihnachten kaum zu ertragen.“
Ich hatte eine Idee. „Wie wär's, wenn wir alle zusammen feiern?“
Bei meinen deutschen Kollegen war das Thema Weihnachten sehr beliebt. Allerdings sorgte sich außer mir keiner um die Beschaffung eines Baumes. Da es in Afrika keine Tannenbäume gab, flogen sie eben zu den Tannenbäumen. Fred, der Verkaufsingenieur, besaß einen Baum vom Vorjahr. Einen ein Meter kleinen Kümmerling aus Plastik mit buntem Kitsch dran, den er mir überließ. Er und seine Frau schwärmten schon seit Wochen von nichts anderem als dem Skifahren im Zillertal.
Nun stand das grüne Ding in meinem goldenen Käfig und harrte meiner weihnachtsmäßig arg verwöhnten Kinder. Von ihrem Opa waren sie an mindestens zwei Meter fünfzig große Nordmanntannen gewöhnt. Bobby und Janet würden meine afrikanische Sparausgabe nicht ernst nehmen. Abiola versuchte mir Mut zu machen. „Meine Mädchen werden so glücklich sein, einen Weihnachtsbaum zu haben - ihre Begeisterung wird deine Kinder anstecken.“
Vier Tage vor Weihnachten holte Abiola seine Mädchen aus dem Busch und brachte seine Mutter gleich mit. Eine richtig runde Mammi, die fast nur Yoruba sprach, dafür aber von ansteckender Freundlichkeit war. Auf ihre alten
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