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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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Yankari-Park auf Rettung gewartet hatten. Sunny verengte seine leicht vorstehenden Augen zu schmalen Schlitzen und lachte dann breit. „O ja, Sie glauben an das Schicksal. Das sehe ich in Ihren Augen. Sie haben etwas erlebt, das Sie verändert hat. Sie müssen mir einmal erzählen, was es war.“
    Der lauernde Ausdruck in den Augen dieses Mannes verunsicherte mich. Seine Worte hielt ich für einen wichtigtuerischen Bluff, mit dem er seinen Bruder oder Victor beeindrucken wollte. Oder mich.
    Aber das machte keinen Sinn. Ich hatte mit diesem Sunny nichts zu schaffen. Ich war die Freundin seines Neffen.
    „Sie haben einen beeindruckenden Katzenkopf am Knauf Ihres Stockes“, sagte ich freundlich, „er ist wirklich sehr schön.“
    „Ich wußte, daß er Ihnen gefällt“, entgegnete Sunny und drehte sich schon wieder zu seinem Bruder, „es ist übrigens ein Leopard und keine Katze.“ Sunny und William verzogen sich an die Bar, ich atmete auf.
    „Dein Onkel scheint mich nicht zu mögen“, sagte ich zu Victor.
    Aber Victor lächelte nur vielsagend. „Das hat mit dir nichts zu tun, Ilona. Sunny hat ein Problem mit mir. Er wirft mir vor, daß ich zu westlich bin. Aber dieses Land ist groß genug, daß wir uns aus dem Weg gehen können.“
    Nigeria ist zwar viermal so groß wie Deutschland. Aber es ist hier wie dort: Für manche Menschen kann die Welt nicht groß genug sein, damit sie sich aus dem Wege gehen können. Das weiß ich heute.
    Als ich von diesem aufwühlenden Wochenende zurückkehrte, berichtete Ken atemlos: „Ma'am, die Polizei war da. Sie haben den Weißen verhaftet.“
    „Das ist aber freundlich von der Polizei. Was hat der Weiße denn gemacht?“

    Ken räusperte sich. „Eine Orgie, Ma'am.“
    „Bitte?“
    „Ja, Ma'am. Der Weiße hatte eine Menge seiner Freunde eingeladen, die auf der neuen Baustelle arbeiten. Und dann haben sie Mädchen mitgebracht. Sie wissen schon ... Sie haben laute Musik gemacht, sehr laute Musik. Irgendwann hat eines der Mädchen geschrien.
    Furchtbar laut geschrien. Dann ist sie rausgelaufen. Nackt, Ma'am.
    Ein Weißer ist hinter ihr hergelaufen.“ Ken blickte zu Boden, räusperte sich. „Er war auch nackt, Ma'am. Und dann kam auch schon die Polizei. Der Nachbar mit den vielen Frauen hat sie gerufen.“
    Der Jesus von nebenan hatte also interveniert! Der wußte schließlich, wie man Frauen behandelt - er hatte ja neununddreißig.
    Von denen lief keine nackt davon.
    Der nackte weiße Mann auf der Straße war natürlich niemand anderes als der Hengst Scholl persönlich. Noch Tage später mußte ich der Polizei Rede und Antwort stehen, warum in dem von mir bewohnten Haus Sexpartys gefeiert wurden. Die nackte Prostitu-ierte hatte Scholl in ihrer Not wegen Vergewaltigung angezeigt.
    Gegen viel Geld zog sie ihre Anzeige dann aber zurück. Der ganze Streß hatte letzten Endes für mich auch eine positive Seite: Dieter Scholl wurde des Landes verwiesen.
    Nach dieser Sache beschloß ich, mich gegen Nickels Intrigen zu schützen. Auf Victors Drängen hin fuhren wir zu seinem Rechtsanwalt, der meine Aussagen über Nickels Scheingeschäfte und die hinterhältige Falle nach der Party protokollierte und in seinem Safe verwahrte. Einen Durchschlag schickte er an den Anwalt meines Vaters in München.
    „Das ist deine Lebensversicherung“, erklärte Victor. Er zog mich ganz sanft an sich und küßte mich. „Ich will nicht, daß dir etwas zustößt.“ Sein Blick jagte mir heiße und kalte Schauer gleichzeitig über den Rücken. Er hatte immer noch nicht gesagt: Ich liebe dich.

Jedenfalls nicht mit Worten.
    Das war das Besondere an der Beziehung zu Victor - sie war von Nähe und Distanz geprägt. Uns verband viel, aber mindestens ebensoviel stand zwischen uns. Nicht meine immer noch gültige Ehe, wahrscheinlich auch nicht meine Kinder, die weit weg waren.
    Victor war außerdem selbst ein Scheidungsopfer. Es war eher seine angeborene oder anerzogene Förmlichkeit, die er nie abzulegen vermochte. Er war eben ein Oxford-Prinz, der nur im Maßanzug aus der Bond Street und in Schuhen aus Mailand herumlief. Nie erlebte ich ihn in T-Shirt und Shorts. Selbst am Strand trug er eine lange weiße Hose und ein weißes Hemd. Und so fühlte er wohl auch. Zwar voller Zärtlichkeit mir gegenüber. Aber immer auf die Form bedacht.

    Doch das störte mich nicht. Es zählte der Augenblick, den es zu genießen galt. Wenn ich schwärmerisch an die Zukunft dachte, kam mir auch der Gedanke, wie lange mir

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