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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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Mädchen hinterher, um ihm zu helfen, ihr Problem zu lösen.
    Ich bin dem Typen dankbar, der mich damals nicht in die Disco lassen wollte, er hat mir meine Grenzen aufgezeigt, sagte er bei unserem ersten Gespräch im Polo-Club. Aber dieser Gerechtigkeitssinn verwirrte mich auch gleichzeitig. Victor konnte unmöglich die ganze Welt retten! Und trotzdem versuchte er es an diesem Tag noch einmal, als er die Leiche eines Menschen am Straßenrand liegen sah. So etwas war - damals zumindest - in Lagos normal. Niemand kümmerte sich darum.
    „Sie werden überfahren, Sir, niemand kennt sie“, erklärte Victors Fahrer.
    „Aber es sind doch Menschen! Sie haben eine Vergangenheit, eine Familie! Was ist das nur für ein Land!“ ereiferte sich Victor. Der Fahrer starrte verständnislos in den Rückspiegel. Wovon redete sein feiner Chef da?
    Wir fuhren zurück in Victors pompöses Haus in Ikoyi, in dem Chief William inzwischen auch einen Swimmingpool und einen Tennisplatz hatte anlegen lassen. Victor eilte zum Telefon und rief die Polizei an. Zum ersten Mal hörte ich, wie er ganz bewußt seinen kompletten langen Adelsnamen herunterleierte, damit sich einer der gelangweilten Polizisten des toten Menschen auf unserem Weg annahm.
    Immer öfter vertraute Victor mir Arbeiten an, die mit dem Konzern seines Vaters zusammenhingen. „Du kennst dich doch inzwischen mit den Steuergesetzen Nigerias aus. Ich habe da mal eine Frage ...“
    Es ging um die Zeitung in Kaduna, die verlustreich wirtschaftete.
    Der dortige Buchhalter war, gemessen an tricky Okoro, ein Dummkopf. Die Manipulationen waren leicht zu durchschauen, Victor feuerte den Mann. Weil ich mein freies Wochenende nun auch mit Buchhaltung verbracht hatte, entschädigte mich Victor mit einem Weiterflug in Richtung Norden, nach Kano, einer über 1000
    Jahre alten Stadt mit einer großen Moschee und vielen engen Gassen, Lehmhäusern und einem Färbermarkt. Mit viel Aufwand werden dort aus Naturzutaten Farben hergestellt, eine stinkende und ungesunde Angelegenheit.
    Doch dann offenbarte Victor mir die wirkliche Überraschung -einen Ausritt mit einer Kamelkarawane. Wir waren nicht die einzigen Fremden, die sich auf dieses Abenteuer freuten. Ein junges Paar aus Frankreich und zwei Italiener wollten die Wüste ebenfalls erleben. Eine schaukelnde Reise durch die kahlen, sandigen Berge, die die Sonne je nach Stand in wundervolle Farben tauchte. An einer Oase standen Zelte bereit, in denen wir übernachteten.
    Obwohl wir von jeder Zivilisation weit entfernt waren, warteten unsere verschleierten Gastgeber mit lukullischen Köstlichkeiten auf. Die Nacht war zwar unerwartet kalt, aber wir saßen aneinandergekuschelt und in Decken gehüllt vor dem Zelt und sahen hinauf in die Sterne, die hier viel näher zu sein schienen als bei uns. Der Mond tauchte die Hügel der Wüste in sanftes Licht. Die weite Leere der Landschaft wirkte unglaublich kraftvoll.
    „Es sieht aus, als blickte man in das Gesicht der Ewigkeit“, sinnierte Victor. „Nichts scheint sich zu verändern, die Zeit stillzustehen.“
    Ich spürte die Wärme seines Körpers, sah, wie sich sein klares Profil vor der hellen Umgebung abzeichnete. Seine dunklen Augen glänzten dicht neben mir. Und doch war er innerlich wieder ganz weit weg. „Wo bist du?“ fragte ich.
    „Hier bei dir“, sagte er und sah mich an. Dann beugte er sich zu mir, küßte mich und blickte wieder hinaus in die Weite, als wollte er sie in sich aufnehmen. „Ich dachte gerade, daß wir hier nur Sand sehen und kein Leben. Und doch hat dieser Boden irgendwann einmal, vor Millionen Jahren, die Kraft gehabt, ganze Wälder zu ernähren. Vögel schwirrten hier herum, Schlangen räkelten sich auf Bäumen, eine Raubkatze schlich zwischen den Wurzeln umher. Es ist nur der Regen, der fehlt. Dann würde diese schlafende Kraft wahrscheinlich wieder erwachen.“
    „Was du in der Wüste siehst!“ Ich lachte. „Ich sehe nur Sand.
    Faszinierende Weite, sicher. Aber vor allem Sand.“
    Er sah mich jetzt direkt an. „Ich sehe, was war und wieder sein kann. Du siehst das, was ist.“ Er machte eine Pause, bevor er fortfuhr: „Weißt du, daß du meinem Vater gefällst? Er meint, du stehst mit beiden Beinen auf der Erde.“
    „Und was denkst du?“
    „Ich denke, es wäre schön, wenn du geschieden wärst.“
    „Was wäre dann?“ sagte ich atemlos.
    „Willst du mich heiraten?“
    Ich war 29, saß in der Wüste, und ein Prinz hielt um meine Hand an.
    Ich war unfähig,

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