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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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der Gepeinigte Haus und Landwirtschaft, Frau und Kinder verlor, bis er endlich selbst dahingerafft war.
    Während Victor und ich teils amüsiert, teils angeekelt lauschten, kam eine Frau aus dem Busch. Mba lud sie ein, sich zu uns zu setzen. Schweigend nahm sie je eine Schale Reis und eine voll Fleisch mit scharfer Sauce. Wir dachten, daß sie sich nun setzen würde, um zu essen. Statt dessen drehte die Frau die Schalen mit der Öffnung auf den Boden. Danach verschwand sie genauso stumm, wie sie gekommen war. Wir kommentierten das Geschehen mit verständnislosem Lachen, und Steve drehte die Schalen wieder um.
    Doch sie waren leer und sauber, als ob sie nie gefüllt gewesen wären.
    Mit bangem Herzen verkrochen wir uns in unsere Moskitozelte. In der Nacht wachte ich von einem kratzenden Geräusch an der Zeltwand auf. Ein langgestreckter Schatten huschte draußen am Zelt entlang. In Panik weckte ich Victor. Er rief laut und klatschte in die Hände. Sein Rufen alarmierte die anderen, die zu unserem Zelt stürzten und die Umgebung mit ihren starken Taschenlampen ableuchteten. Ihre Suche blieb ergebnislos. An unserem Zelt machten sie jedoch deutliche Kratzspuren aus. Und dann entdeckte Steve den Grund für den Besuch: In einer Ecke unseres Zeltes lagen mehrere Brocken Fleisch. Mba und Ukwu schimpften uns, weil wir den Leoparden durch unseren Leichtsinn angelockt hatten.
    Ich war jedoch ebenso wie Victor absolut davon überzeugt, daß wir keine Nahrung ins Zelt mitgenommen hatten.
    „Dies ist die Gegend, in der der Leopard nachts jagt“, sagte Mba.
    „Das Mädchen, das uns aufgesucht hat, war der verwandelte Leopard. Es hat euch das Fleisch aus der Schüssel ins Zelt gehext.“
    Veranstalteten unsere horrorkundigen Flußführer all diesen Zauber, um uns einen Schrecken einzujagen? Durch die Wand unseres dünnen Moskitonetzes hatte ich eindeutig den Schatten einer großen Raubkatze gesehen. Das zerkratzte Zelt war ein weiterer Beweis. Allerdings hörte ich später, daß es Menschen gibt, die sich geschickt und katzenhaft wie der Leopard am Boden bewegen können.
    Nach einer schlaflosen Nacht paddelten Mba und Ukwu uns zu einem babalawo, jenem, der angeblich auch den Regenguß zuwege gebracht hatte. Er sollte das Orakel befragen und im Zweifelsfall die Götter versöhnen. Victor sagte mir zwar, daß er die Orakelbefragung für ausgesprochene Scharlatanerie halte, aber er erkannte sehr wohl, daß die anderen aus unserer Gruppe das ganz anders sahen. Nachdem der babalawo Victors Geld bereitwillig genommen hatte, befragte er das Orakel. Wieder sah ich fasziniert zu, wie ein Busch-Priester die Palmnüsse jonglierte.
    Wir hätten uns einen mächtigen Gegner ausgesucht, verkündete der babalawo nach einer Ewigkeit. Dieser Gegner müsse in einer Zeremonie besänftigt werden. Der babalawo tat dies, indem er einem kleinen Holzmännchen mit einem mächtigen, aufgerichteten Phallus kaltes Flußwasser über den dunklen, verwittert aussehenden Körper kippte und ihn danach mit rotem Palmöl einrieb.
    Ich merkte Victor die Ungeduld während der Zeremonie deutlich an.
    Er saß unruhig und fand keine Position, in der er seine langen Beine angemessen unterbringen konnte. Ungeniert blickte er immer wieder auf seine teure Schweizer Uhr. Ich wußte, daß er am Abend wieder in Lagos sein wollte. Und dann schleppte ein Helfer des
    babalawo noch eine Ziege an, die geopfert werden sollte. Das war der Moment, in dem Victor endgültig der Kragen platzte. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Er stand abrupt auf, reichte mir die Hand und zog mich hoch.
    „Mister“, zischte er den babalawo an, „da hinten liegt irgendein Gift im Wasser und verseucht die Fische. Die Menschen werden diese Fische essen und krank werden oder sterben. Wie wäre es, wenn Sie Ihren Zauber mal dagegen einsetzen würden?“
    Äußerlich zeigte der babalawo keine Verärgerung. Er gab lediglich der Ziege einen Klaps und jagte sie davon. Dann fixierte er Victor und sagte ganz ruhig: „Wenn der Leopard seine Beute nicht beim ersten Mal tötet, so heißt das nicht, daß er sie verschmäht.“
    Während sich die anderen artig verbeugten, gingen wir zu den Kanus zurück. „Er hat eine schwarze Kerze angezündet“, hörte ich Mba zu Mike sagen, als wir in die Boote stiegen. Mike schnalzte mißbilligend mit der Zunge. Von ihm bekam Victor die Quittung für seine Ungeduld, und zwar bereits am Nachmittag. Mike sagte, ihm sei es zu riskant, sich an der Bergung der Fässer zu

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