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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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wieder traute ich mich schwimmen. Wenn meine Kinder ins Schwimmbad gingen, wartete ich am Beckenrand mit dem Handtuch. Tiefes Wasser - mein Trauma.
    Die Alte schüttelte nachsichtig den Kopf. „Daran siehst du es doch“, meinte sie, „du hast deine eigenen Wurzeln verloren. Lerne, deine Angst vor dem Wasser zu verlieren, und du wirst entdecken, wer du wirklich bist. Die Angst verstellt dir den Weg zu dir selbst.“
    Es verging noch viel Zeit, bis ich erkannte, was sie damit meinte.
    Denn mein Aufenthalt im fathouse war zu Ende. Die Alte gab mir noch ein paar Belehrungen mit auf den Weg, die mein Verstand zwar hörte, die ich aber erst später umsetzen konnte. „Wasser ist das Leben“, sagte sie. Und meinte damit die mystische Bedeutung des Wassers: Mammy water, die auch Jemonja genannt wird, als die Mutter allen Wassers, das für Fruchtbarkeit und damit für die Weiblichkeit an sich steht. Die Älteste erklärte mir, was Mammy
    water für mich bedeuten konnte. In der Tat steht diese urmütterliche Göttinnen-Gestalt für etwas, das mir viel bedeutet: Kinderliebe, Häuslichkeit, Fürsorge, verborgenes Temperament, Verzeihen, manchmal Schwermut, die Fähigkeit, Geld zu verdienen, aber gleichzeitig auch, emotionales Wohlergehen höher einzuschätzen als materiellen Wohlstand.
    In Afrika eine Göttin als die seine anzuerkennen bedeutet, dieser Göttin zu dienen und ihr zu opfern. Opfern kann man alles Eßbare,
    Mammy water zum Beispiel Schaf, Huhn, Taube, gekochten Fisch oder Süßigkeiten, Kuchen, Melonen, Fruchtsäfte.
    Am Abend begleiteten die Frauen mich zum letzten Mal zum Fluß, zu einem gemeinsamen, ausgelassenen Bad. Es war eine Zeremonie der Reinigung, die mich als eine geläuterte Frau in meinen Alltag entlassen sollte. Während mich die Frauen im Wasser wuschen, erinnerte ich mich an das Sternzeichen, unter dem ich geboren bin - die Fische. Vielleicht ist das eine der Lehren, die ich aus meiner Zeit in Afrika gezogen habe: So weit wir auch fahren mö-
    gen, und was uns auch begegnen mag, wenn wir genau hinsehen, stellen wir fest, daß alles vernetzt ist und zusammengehört. So wie ich, der Fisch mit der Angst vorm Wasser, zu Mammy water
    gehöre ...
    Mit wieviel Skepsis war ich zu dieser anfangs unfreiwilligen Initiationszeremonie gegangen. Und wie gelöst verließ ich sie! Ich hatte viel über mich selbst erfahren, über andere Frauen, die Gemeinschaft, den Umgang mit anderen und mit mir selbst. Die zwei Wochen im Busch hatten mich nicht nur innerlich sehr verändert, mein Verständnis für die Menschen geweckt. Noch etwas war mit mir passiert: Von diesem Zeitpunkt an trug ich die Liebe zu Afrika in meinem Herzen.
    Obwohl das Wortfathouse glauben macht, daß man es kugelrund wieder verläßt, hatte ich abgenommen. Das lag nur zum Teil an der ungewohnten Arbeit und am Essen: Mein Körper hatte im übertragenen Sinne abgegeben, was mich belastete.
    Bemalt, geschmückt und festlich gekleidet, wurde ich zu meinem sehnsüchtig wartenden Victor gebracht, der überrascht feststellte, daß ich reifer und fraulicher wirkte.
    Nach der Überdosis ritueller Gemeinsamkeit genossen Victor und ich das Wiedersehen und zogen uns im Palast in unsere Räume zurück, während unser Initiationsfest vorbereitet wurde. Eng aneinandergekuschelt lagen wir auf einem quietschenden Pfostenbett aus dunklem Holz, umhüllt von Moskitonetzen. Victor genoß den Duft meiner von den Frauen sanft eingeölten Haut. Als wir die Geräusche aus dem großen Hof wahrnahmen, war es draußen schon fast dunkel geworden. Wir hatten nicht bemerkt, daß der ganze Tag vergangen war.
    Victor küßte mich auf den Bauch und sagte: „Wenn wir ein Kind bekommen, soll es deinen zweiten Vornamen, Maria, tragen. Bist du damit einverstanden?“
    „Und wenn wir einen Jungen bekommen?“
    „Das entscheidest dann du“, erwiderte er zärtlich. „Aber ich möchte ein Mädchen.“

EINE VERLORENE LIEBE
    „Wo viel Böses ist, muß auch Gutes sein.* (Nigerianisches Sprichwort)

DAS ENDE EINES TRAUMS
    Die Schule der Frauen im Busch hatte mich bereit gemacht für einen neuen Anfang. Zwar wußte ich, daß ein Leben mit Victor eine noch viel größere Herausforderung an meine Wandlungsfähigkeit bedeutete als meine gescheiterte Ehe mit John. Aber die Aussicht auf ein Leben mit meinem Prinzen stimmte mich glücklich und verdrängte alle Bedenken, die ich bei nüchterner Überlegung vielleicht gehabt hätte. Während John in den Tag hineinlebte, war Victor sich seiner

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