Die weiße Macht
sie dirigiert wurde.
Immer dann, wenn sie den Druck verstärkte, zuckte er zusammen, was Amelia sehr entgegenkam.
»Ja«, stöhnte sie, »so ist es gut, schöner Mann. So ist es einfach wunderbar. Ich liebe dieses Gefühl, ich habe es zu lange vermissen müssen, zu lange…«
Lorenzo Amber begriff die Welt nicht mehr. Noch immer konnte er nicht fassen, in welch eine Situation er da hineingeraten war. Es war für ihn unmöglich, und hinzu kam noch, daß er nichts anderes war als nur ein Statist. Die andere Seite machte mit ihm, was sie wollte, denn die Frau war ungemein stark.
Sie lag noch immer auf ihm. Sie spielte mit ihm. Er spürte ihren weichen Körper, der sich mal hob und wieder senkte. In unregelmäßigen Abständen spürte er dabei die Spitze des Messers auf seinem Rücken, die schon längst kleine Wunden hinterlassen hatte.
Schließlich gelang es ihm, die Frau etwas zur Seite zu drehen. Ihr rechter Arm machte die Bewegung mit. Das Messer verschwand aus der unmittelbaren Nähe des Rückens, was Lorenzo ahnte, aber nicht sah. Er ging trotzdem das volle Risiko ein.
Mit einem Schulterstoß beförderte er Amelia über den Rand des Bettes hinweg. Sie verlor blitzartig den Halt und prallte mit einem seltsam hart klingenden Geräusch zu Boden.
Sofort sprang er über sie hinweg, raffte den Bademantel vor dem Körper zusammen und preßte sich so rasch wie möglich mit dem Rücken gegen eine freie Fläche an der Wand.
Dort blieb er stehen, schnappte nach Luft und ließ die Person nicht aus den Augen.
Amelia lag auf dem Rücken. Sie lachte leise, was ihm auch nicht paßte.
Das Messer hielt sie fest, und Ambers Blick saugte sich daran fest und nicht an Amelias Körper.
Es war ein Dolch.
Einer mit einer goldenen Klinge, die auf seinem Rücken brennende Streifen hinterlassen hatte. Nie zuvor hatte er eine derartige Waffe gesehen, aber er war nicht dumm. Lorenzo dachte daran, was hinter ihm lag, und er flüsterte mit erstickt klingender Stimme: »Das darf doch nicht wahr sein. Nein, das glaube ich nicht. Das Gold, das verfluchte Gold des Baal.«
Blitzartig richtete sich Amelia auf. Funken tanzten in ihren Augen wie goldener Stemenstaub. »Ja«, sagte sie, »du hast recht. Das Gold des alten Götzen.« Mit einem zweiten Sprung war sie auf den Beinen. »Ein wunderbares Geschenk, das kann ich dir sagen. Es ist einfach herrlich, damit zu leben.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das kannst du nicht sagen. Ich war da, ich habe ihn gesehen. Er ist böse, er ist grausam, er ist ein Teufel, man muß ihn vernichten. Niemand soll mehr um das goldene Kalb tanzen – niemand.«
Amelia lächelte nur, während sie die Waffe betrachtete. »Was bist du nur für ein Phantast, schöner Mann. Niemand, hast du gesagt? Niemand soll um das goldene Kalb tanzen? Mein lieber Freund, es geht nicht anders, verstehst du? Die Menschen sind so. Du scheinst sie sehr wenig zu kennen, wenn du so redest. Sie sind schon immer und zu allen Zeiten dem Gott Mammon hinterhergelaufen und haben alles andere vergessen. Werte interessierten sie kaum, aber das Gold, das Geld, das war für sie wichtig. Oder bist du so ein Träumer, daß du noch an das Gute glaubst? Bestimmt nicht, die Welt wird von anderen Kräften regiert, und Baal gehört dazu, wenn auch nicht als goldenes Kalb, eben in einem anderen Sinne oder einer anderen Form. Das Kalb war da, das Kalb wird immer und ewig sein, darauf kannst du dich verlassen.«
Er schüttelte den Kopf, weil er diese Worte nicht akzeptieren konnte.
Lorenzo Amber glaubte an das Gegenteil, sonst wäre er nicht der Weißen Macht beigetreten. Er wußte, wie stark das Böse war, aber dazu existierte ein Gegenpol, und er fühlte sich dafür verantwortlich, dem Guten wieder an die Spitze zu helfen. »Nein, nein, ich denke da anders. Ihr werdet nicht gewinnen. Das Kalb ist schon mal zerstört worden, und es wird immer Wieder zerstört werden…«
»Und wieder aufgebaut«, sagte die Frau. »Wir gehören zu denjenigen, die nicht aufgeben, das solltest du wissen. Wir finden uns immer wieder, denn der Einfluß der Götzen ist nach wie vor da, er hat sich nur ein wenig verändert. Wir wollen nicht, daß es Menschen gibt, die in der Vergangenheit herumforschen. Wir wollen die Dinge im Meer der Geschichte eingetaucht sein lassen. Niemand soll sie an die Oberfläche zerren können, niemand, verstehst du?«
»Ihr habt Angst, nicht?« Er lächelte kantig. »Ihr seid gar nicht so mächtig, wie ihr vorzugeben scheint.« Die
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