Die Weiße Ordnung
die Stufen hinab. Zumindest im Sommer war die Luft in den Kanälen etwas kühler als auf den Straßen.
Cerryl hatte zu Anfang kaum gewagt, tief einzuatmen, doch mittlerweile war sein Geruchssinn fast gänzlich unempfindlich geworden. Der Gestank entwickelte sich im Sommer besonders schlimm, und wenn die Hitze bis zum Herbst anhielt, würde es noch ärger werden. Cerryl achtete kaum noch auf die allgegenwärtigen Gerüche und ließ seine Sinne durch den Kanaltunnel zu seiner Rechten wandern. Irgendwo da vorne musste sich der zugemauerte Schmugglertunnel befinden.
Das Abwasser floss im Graben dahin, noch unter dem schleimigen Fußweg … doch irgendetwas stimmte nicht … ein Wirbel oder Ähnliches gurgelte in der Kloake.
Cerryl ließ eine kleine Lanze aus goldenem Chaos-Licht über die Wasseroberfläche gleiten. Flammen loderten hinter der Lichtlanze auf. Irgendetwas im Abwasser brannte – war es Öl? Cerryl versuchte etwas zu riechen, aber sein Geruchssinn konnte ihm nicht mehr helfen. Woher kam das Öl?
Er schleuderte einen Chaos-Feuerstoß quer über die Tunnelwand, doch als Ergebnis erhielt er nur saubere Ziegel und weiße Asche. Im Glimmen des Blitzes konnte Cerryl die Umrisse des Seitenkanals erkennen.
Ein kurzes Klopfen auf den Steinen hallte durch den Tunnel. Cerryl drehte sich um.
»Entschuldigt, Ser«, krächzte Ullan.
Cerryl wandte sich wortlos wieder dem dunklen Tunnel zu und suchte weiter, er runzelte die Stirn wegen des verbrannten Öls, vielleicht war es jedoch auch etwas anderes gewesen.
Ullan klopfte wieder mit der Lanze.
Diesmal hörte Cerryl nicht hin und versuchte mit aller Gewalt, seine Sinne in die Dunkelheit des Tunnels zu pressen.
Ein Kratzgeräusch gesellte sich zum leisen Gurgeln im Abwassergraben.
Plötzlich fühlte Cerryl etwas – hinten in der Ecke. Wahrscheinlich wartete jemand auf ihn im zugemauerten Tunnel. Cerryl hatte gerade mit dem Chaos-Sammeln begonnen, als er Schritte auf den Steinen hörte.
Ein schwacher Lichtschein drang aus dem Seitentunnel und zwei Männer erschienen, dünne Gestalten, die Cerryl weder mit seinen Sinnen noch mit den Augen richtig erkennen konnte. Er musste unwillkürlich zwinkern.
Einer hängte eine Bronzelampe an den Haken an der Wand, den Cerryl bis eben nicht bemerkt hatte. Beide Männer trugen Schilde – große, dunkel glänzende Eisenschilde. Sie trugen auch dunkle Eisenschwerter bei sich, in denen das rötliche Schwarz der Ordnung glühte; beinahe geräuschlos bewegten sie sich auf Cerryl zu.
Hinter sich hörte Cerryl, wie die zwei Weißen Lanzenkämpfer sich zurückzogen, auch fast geräuschlos.
Myral hatte bereits erwähnt, dass die Gardisten im Ernstfall möglicherweise keine große Hilfe darstellten. Er hatte Cerryl auch gelehrt, dass es ihm gefährlich werden konnte, Chaos gegen Eisen zu schleudern.
Cerryl wich zurück und versuchte nachzudenken. Was sollte er tun?
Die bewaffneten Männer marschierten auf ihn zu, die Schilde vor sich aufgebaut.
Cerryl warf einen goldenen Feuerstoß auf die beiden Störenfriede, er zielte nicht auf den Schild des ersten Mannes, wo er wenig nützen würde, sondern auf den Graben gleich neben dem Mann.
Ein zweiter Feuerstoß folgte dem ersten, dann ein dritter und vierter.
Cerryl hielt seinen eigenen unsichtbaren Schild gegen den Chaos-Dampf, um diesen von sich abzuhalten, gleichzeitig versuchte er den Dampfstrom auf die bewaffneten Männer zu lenken; Cerryl begann den Rückzug, die Angreifer rückten immer weiter vor.
Dann schleuderte Cerryl eine goldene Lichtlanze in einem niedrigen Bogen auf die Beine des Führenden. Sie verfehlte zwar ihr Ziel, allerdings musste der zweite Mann zur Seite springen und prallte dabei gegen die Tunnelwand. Nur taumelnd konnte er sich auf den Beinen halten, seinen Schild vermochte er jedoch nicht mehr zu heben.
Cerryl feuerte eine weitere zischende Lanze aus goldenem Licht mitten ins Gesicht des Angreifers.
»Aaaahh …« Der Schrei verstummte, der Mann schlug die Hände vor sein verbranntes Gesicht und den blutenden Hals. Langsam fiel er vornüber.
Cerryl warf noch eine Feuerkugel in den Graben und wich gleichzeitig vor dem ersten Soldaten zurück.
Dieser machte einen Satz nach vorn und schwang und stemmte seinen Eisenschild gegen Cerryl. Mit erhobenem Schwert arbeitete er sich die wenigen noch verbliebenen Ellen bis zu ihm vor.
Mit einer Ruhe, die bestimmt nicht seinem tiefsten Innern entsprang, löste Cerryl einen weiteren Feuerball aus seinen Fingern,
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