Die Weiße Ordnung
aus. Er schaute noch einmal neidisch zu dem weißen Stoffzelt, in dem Jeslek sich auf einem bequemen Feldbett zurücklehnen konnte. »Ohhh … Dunkelheit …«
Im Osten erleuchtete ein schwaches Glühen den Horizont: der rot geränderte Schein der geschmolzenen Felsen, die aus dem Boden geschleudert worden waren, während Jeslek die Hügel zu Bergen hatte wachsen lassen.
Cerryl atmete mehrere Male tief durch.
»Sogar am Boden ist es bequemer als im Sattel«, bemerkte Lyasa trocken.
»Er ist hart«, jammerte Kochar, unversöhnlich saß er auf seiner Bettrolle, die Stiefel immer noch an den Füßen. »Zu hart zum Schlafen.«
»Versuch es«, schlug Lyasa vor.
»Ich gehe zurück zum Feuer. Mir ist kalt.« Kochar stand auf und schlenderte zurück in die Richtung des Zeltes, dessen weiße Stoffbahnen sich im Licht des langsam niederbrennenden Feuers orange färbten.
Das geräuschvolle Hantieren der Lanzenreiter, die ihre Bettrollen ausbreiteten, und ihre gedämpften Gespräche verbreiteten eine sommerliche Stimmung, obwohl der Sommer in Gallos schon längst vorüber war; auch die kalte Brise aus Nordwesten ließ diesen Gedanken absurd erscheinen, sie brachte den Geruch von feuchtem und verfaulendem Gras mit sich.
Lyasa rückte ihr Bettzeug näher zu Cerryl, dann zog sie sich die Stiefel aus und wickelte sich in ihre Decke. »So können wir uns unterhalten und niemand wird sich etwas dabei denken.«
O doch, sie werden sich etwas denken. »Das bezweifle ich.« Cerryl zitterte, obwohl er sich mit zwei Decken zudecken konnte. Er fühlte sich ein wenig schlecht deswegen und breitete die Hälfte der oberen Decke über Lyasa.
»Das ist schon besser. Viel wärmer.« Die schwarzhaarige Schülerin lachte sanft. Mit den Lippen keine Spanne von Cerryls Gesicht entfernt, kitzelte ihr Lachen in seinem linken Ohr. »Sie werden denken, dass zwei Lehrlinge es sich einfach so angenehm wie möglich machen. Jeslek und Anya sind daran gewöhnt, die beiden treiben es wie die Karnickel bei jeder sich bietenden Gelegenheit.«
»Bist du sicher?«
»Mich hat es bisher noch nicht getroffen. Mein Glück ist, dass ich unter seiner Würde bin. Anya kennt keine Würde, nicht wenn es ihr weiterhilft.«
»Ich weiß.« Cerryl dachte an den armen Faltar, der nur Anyas Schönheit sah und das betörende, aber falsche Lächeln. »Ich weiß.« Dann fügte er hinzu: »Warum erzählst du mir das?«
»Wem sonst könnte ich es erzählen? Ich bin nur eine kleine Magierschülerin, jeder vollwertige Magier, der mich will … ich kann nicht einfach fortgehen …«
Cerryl schnürte sich der Hals zu. »Es tut mir Leid. Ich … ich dachte, nur mir erginge es so.«
Lyasa lachte wieder, halb herzlich, halb bitter. »Auch das weiß ich. Wir sind uns sehr ähnlich, du hast keine Familie und ich bin eine Frau mit der Begabung für Chaos. Was dich betrifft …« Lyasas Stimme ließ einen Ton des Bedauerns erkennen. »… hatte ich Unrecht. Ich möchte deine Freundin sein, wollte es schon immer. Du kannst über meinen Körper verfügen, wenn du willst.«
»Ich verstehe nicht. Ich habe nicht danach gefragt …« Cerryl schluckte.
»Nein. Und das wirst du auch nie tun. Wir beide wissen, warum.«
Es bereitete Cerryl beinahe Schmerzen. Leyladin. Mehr als ein paar Worte hatte er mit der grünäugigen Grauen Magierin noch nicht gewechselt. »Du sagtest …«
»Ja … und ich hatte Unrecht. Deshalb bin ich deine Freundin und deine Verbündete. Wenn du Sterol und Jeslek – und Anya – überlebst, kannst du uns alle retten.«
Cerryl schüttelte den Kopf. »Ich bin noch immer ein Schüler und Jeslek lässt keine Gelegenheit aus, mich auf irgendeine Art zu prüfen.«
»Das sind keine Prüfungen, Cerryl. Er möchte, dass du einen Fehler begehst, der dich vernichtet. Er wagt es nicht, dich einfach so zu töten. Du musst stark genug sein, ihm zu widerstehen, wenn er Sterol als Erzmagier ablöst.«
Jeslek sollte Erzmagier werden? Wie konnte es auch anders sein mit der Macht, über die er bereits verfügte? Aber wie konnte sich Cerryl dieser geballten Macht widersetzen?
Lyasa streckte den Arm aus und drückte ihn. »Du bist nicht allein.«
Ihre Worte hallten noch in seinen Ohren wider, selbst als er langsam einschlief. Er genoss den Trost ihrer Nähe, einfach ihre Nähe. »Du bist nicht allein. Du bist nicht allein …«
Und trotzdem geisterte eine Magierin mit roten Glanzlichtern in den Haaren durch seine Träume. Er sah sie durch endlose Korridore wandeln,
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