Die Weiße Ordnung
kein Safran, kein Kümmel, kein …«
»Genug, genug! Ich habe schon verstanden.« Tellis hielt sich die Hand vor den Mund und hustete.
»Warst du schon einmal am Platz der Händler?«, fragte Beryal und sah dabei Cerryl an; ihre Tochter, die die zweite Augenbraue hochzog – diesmal die rechte –, ignorierte sie.
»Nein. Ich war noch nie richtig in Fairhaven«, gab Cerryl zu. »Ich kenne nur die Gegend hier und den Bauernmarkt.«
»Es gibt keinen Ort, der mit Fairhaven vergleichbar wäre«, berichtete Tellis. »Lydiar ist feucht und verrottet langsam; alle reden immer von Jellico und seinen Mauern, aber innerhalb der Mauern gibt es nur schlechte Straßen, Bruchbuden und Bettler.« Der Schreiber schnaubte. »Fenard besitzt eine große und glorreiche Vergangenheit, heute ist es jedoch nur noch ein Schweinestall mit einer Mauer darum herum.«
»Die Weißen Magier brauchen keine Mauern«, bemerkte Beryal. »Wer würde es schon wagen, Fairhaven anzugreifen?«
Cerryl sagte es zwar nicht laut, aber er glaubte schon, dass es Menschen gab, die das gern tun würden … und es früher oder später vielleicht wirklich täten.
»Du sperrst Cerryl regelrecht ein«, brummte Beryal.
»Ein Lehrling muss schließlich seinen Lebensunterhalt verdienen«, antwortete Tellis mit einem theatralischen Seufzer.
»Ich brauche außerdem vier Silberstücke«, eröffnete ihm Beryal, während ihre Augen zum unbeaufsichtigten Herd wanderten. »Gewürze kaufen sich schließlich nicht von selbst.«
»Vier?« Tellis täuschte einen ungläubigen Blick vor und zwinkerte Cerryl zu.
»Fünf wären noch besser«, verlangte Beryal. »Gewürze sind teuer um diese Jahreszeit und außerdem bekommen wir mehr dafür.«
»Geld … glaubst du vielleicht, dass ich armer Schreiber mit Münzen gesegnet bin?«
»Münzen? Keineswegs. Ausreden? Ja.« Beryal schaute Cerryl an. »Mach dich fertig, du hast ohnehin schon alles verschlungen, was es zu verschlingen gab.«
Cerryl stand auf und ging zum Waschtisch.
»Wenn du dich gewaschen hast, ziehst du deine neue Tunika an«, ordnete Beryal an. »Dein Hemd ist schon ganz durchgescheuert an den Ellbogen. Und zieh deine Jacke über. Ich warte, also beeil dich.« Sie wandte sich an ihre Tochter. »Heute kannst du den Abwasch machen.«
»Wenn es sein muss.« Benthann hob die Hände und ließ sie unlustig fallen. »Welche Last habe ich nur zu tragen.«
»Du willst ja schließlich auch essen, oder?«, erwiderte ihre Mutter.
Cerryl huschte in seine Kammer. Schnell zog er sein fleckiges braunes Arbeitshemd aus und schlüpfte in die blassblaue Tunika, die Tellis eines Tages ohne ein weiteres Wort einfach auf seine Pritsche gelegt hatte.
»Schon besser«, sagte Beryal, als er wieder im Wohnraum stand; die Lederjacke von Dylert trug er über dem Arm, sie passte ihm noch einigermaßen. Tellis war wahrscheinlich schon zurück ins Arbeitszimmer gegangen.
»Du siehst ja wie ein richtiger Lehrling aus«, rief Benthann vom Arbeitstisch, wo sie das Geschirr in den Spültrog gab.
»Möchte die neue nicht tragen, wenn Tinte, Farbe und Leim herumstehen«, gab Cerryl zu.
»Der Junge macht sich Gedanken um seine Kleider«, sagte Beryal, »ganz im Gegensatz zu manch anderem. Er denkt darüber nach, wie sie schmutzig werden könnten … das stell dir mal vor.« Mit einem schiefen Lachen wandte sich Beryal an Benthann.
»Ooooh … es könnte mir einer herunterfallen.« Die junge blonde Frau jonglierte mit einem irdenen Teller herum und fing ihn wieder.
»Das hoffe ich nicht«, antwortete ihre Mutter und legte sich einen kurzen graublauen Wollumhang um die Schulter, der zu groß war für einen Schal und zu klein für einen richtigen Umhang. »Meister Tellis gibt uns vielleicht Geld für Kleider, aber nicht für Teller …«
Cerryl schlug den Blick nieder auf den frisch geschrubbten Steinboden.
»Wir müssen gehen«, sagte Beryal und berührte seine Schulter. »Zur Vordertür hinaus.«
»Ja, Beryal.« Cerryl warf im Gehen einen Blick durch die offene Tür in den Arbeitsraum, wo sich Tellis über den Spannrahmen beugte. Der Schreiber sah nicht auf, als sie auf die Straße gingen. Cerryl schloss sanft die Tür.
Die Sonne schien zwar durch die hohen Schleierwolken, aber sie ließ Fairhaven und Cerryl nur wenig Wärme zuteil werden. Cerryl mühte sich mit dem obersten Knopf seiner Jacke und steckte die Hände in die Taschen, um sie warm zu halten.
»Es sind fünf lange Häuserblocks bis zum Platz der Magier, nicht ganz beim
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